Meine grünen Quadratbilder
Ausgangspunkt
Ausgangspunkt für das Bedürfnis, neue Bilder mit einem stärkeren Bezug zur äußeren Wirklichkeit, dem Körper und der Natur zu schaffen, ergab sich aus der Erkenntnis, dass wir in unserer westlichen Kultur sehr stark von unserem Körper und dem natürlichen Eingebettetsein in die Natur, entfremdet sind. Die Ursprünge dafür liegen wohl schon in der Zeit des Übergangs von der Gesellschaft der Jäger und Sammler zum Ackerbau und haben in unserer modernen, von der Technik beherrschten Gesellschaft, einen Höhepunkt erreicht. Diese Entfremdung zeigt sich in allen Bereichen der Gesellschaft und damit auch in der Ausrichtung unserer Meditationspraxis.
Eine den Körper einbeziehende neue Praxis in diesem Bereich fordert bei mir auch eine ergänzende Ausrichtung in der Kunst. 2018 führte diese neue Erkenntnis und die sich daraus ergebenden Erfahrung zu dem Bild „Erdverbundenheit II“. Dieses Bild war das bisher letzte Bild in der Reihe meiner schwarzen Quadratbilder und der Übergang zu etwas Neuem.
Mein starker Impuls, entsprechende Bilder zu schafften, führte zu der Vorstellung, Bilder zu machen, die mit starken Farben auf die äußere Wirklichkeit und die Tiefe der Natur bezogen sein sollten. Wie ich das machen könnte, war mir zunächst unklar. Mit Blick auf die Kunstgeschichte fielen mir spontan die Bilder von Paula Modersohn-Becker und Otto Müller ein. Solche Bilder selbst zu malen, bin ich nicht in der Lage. Ich kann weder entsprechend Zeichen noch Malen. Mir kam dann die Idee, dass ich Bilder von solchen Künstlerinnen und Künstlern übernehmen könnte, die ihre tiefen Gefühle zur äußeren Wirklichkeit, zur Natur und zur Erfahrung der Menschen in ihren Kunstwerken ausgedrückt haben. Diese Bilder könnte ich in einen entsprechenden Rahmen setzen und damit in einem neuen Zusammenhang zugänglich machen. Indem ich Bilder anderer Künstler in Scene setze, bestehle ich sie ja nicht, ich ehre sie und bringe sie unter einem neuen Blickwinkel neu in die Öffentlichkeit. Dabei kommt mir sehr entgegen, dass es Hersteller gibt, die fast jedes bekannte Kunstwerk auf einen gewünschten Träger aufgedruckt, anbieten.
Es schwebte mir eine Serie von Bildern vor, die in dunkelgrüne Quadratrahmen gesetzt sind. Vom Bild zum Rahmen hin sollte noch eine Übergangszone bleiben, die ich farblich dem Kunstwerk entsprechen gestalten wollte. Sie sollte das Bild noch verstärken und auf den Rahmen beziehen.
Als erstes habe ich mir das Bild „Alte Armenhäuslerin“ von Paula Modersohn-Becker auf Leinwand gedruckt schicken lassen. Auf den Rand habe ich erd-grüne Acrylfarbe mit ungeordnetem Pinselduktus aufgetragen. Das entsprach meinem Empfinden dem Inhalt des Bildes entsprechend. Die alte Frau lebte in einer existenziellen Situation, in der nur ein erbärmliches Leben möglich war. Sie war ausgeliefert und auf reines Überleben reduziert. Mit dieser Lösung war ich allerdings nicht ganz zufrieden. Sie machte das Bild zu unruhig und in seinem Gesamteindruck zu düsterer.
Für das zweite Bild, „Zwei Katzen“ von Franz Mark, gefiel mir der weiße Rand sehr gut. Das Weiß gab dem Bild eine große Frische und entsprach auch Marks Vorstellung von großer Reinheit und Geistigkeit in der Natur.
Bei meinem dritten Bild, „Alpleben“ von Ernst Ludwig Kirchner, war ich etwas ratlos. Den Rand dunkelblau wie die Berge zu machen, wie ich ursprünglich geplant hatte, schien mir irgendwie nicht angemessen. Nach einigen Überlegungen bin ich dann zu dem Schluss gekommen, auch diesen Rand weiß zu lassen. Ein farbiger Rand schien mir mittlerweil auch nicht mehr sinnvoll, weil er die Farben der Bilder beeinflusst und damit die Aussage des Künstlers verfälscht.
Auch Kirchner wollte nicht nur die äußere Wirklichkeit abbilden. Es ging ihm bei seinen Landschaften um den Einklang des Menschen mit der Natur. In der Natur konnte sich das Geistige offenbaren. Er schreibt:
Das große Geheimnis, das hinter allen Vorgängen und Dingen der Umwelt steht, wird manchmal schemenhaft sichtbar oder fühlbar, wenn wir mit einem Menschen reden, in einer Landschaft stehen oder wenn Blumen oder Gegenstände plötzlich zu uns sprechen.
Ernst Ludwig Kirchner
Auch er war auf den transzendenten Grund der Wirklichkeit ausgerichtet. Ein solcher Grund kann in der weißen Farbe seinen Ausdruck finden.
Eine grundsätzliche Überlegung hat mich dann zu dem Entschluss gebracht, mit der weißen Fläche zwischen Bild und Rahmen diese Dimension bei allen diesen Bildern zu berücksichtigen. Die meisten großen Künstler wollen nach eigenen Aussagen ja nicht einfach die äußere Wirklichkeit abbilden, sondern sie mit der Ahnung auf einen tieferen Grund hin durchdringen.
Für diejenigen, die nicht wissen, dass der Grund aller Wirklichkeit Bewusstsein ist, das nicht abbildbar und somit für uns Leere ist und am adäquatesten mit der Farbe Weiß wiedergegeben werden kann, werden diesen Bezug nicht herstellen können und die weiße Umrandung als Passepartout ansehen. Das ist aber in Ordnung. Die weiße Farbe wirkt auch aus sich selbst. Und auch die Bilder wirken für sich selbst.
Die weiße Farbe als Ausdruck der Transzendenz erscheint damit in allen meinen Quadratbildern: In den weißen Quadratbilder als direktes Ziel, indem sie durch Kontemplation in die Leere führen sollen, in den schwarzen, indem Botschaften von dieser Ebene kommen und den Übergang in diese Transzendenz behandeln und die grünen, indem sie diesen Grund in der äußeren Wirklichkeit offenbar machen. Es geht auf allen Ebenen der Kunst nicht darum, dass eine gegen das andere zu setzen, es geht nur um Schwerpunkte. Alle drei Ebenen durchdringen einander.
Meiner „Weißen Qadratbildern mit gegenständlichen Motiven“ deuteten schon darauf hin.
Der Mystiker neigt dazu, mit der Erforschung der Natur des SELBST zu beginnen. Der Künstler neigt dazu, mit der Erforschung der Welt zu beginnen. Letztlich gelangen beide zur gleichen Schulussfolgerung: dass BEWUSSTSEIN die fundamentale REALITÄT der Welt ist, dass BEWUSSTSEIN und SEIN eins sind.
Rupert Spira
Der grüne Quadratrahmen
Grün ist die Farbe des Lebens. Alle äußere Wirklichkeit ist lebendig. Es gibt den Farbton „Grüne Erde“. Um die äußere Wirklichkeit in ihrer Vielfalt und Fülle darzustellen, habe ich daher die Rahmenfarbe Dunkelgrün gewählt.