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Kunst & Spiritualität

Herbert Langenohl Künstler

Paul Cézanne 1839 – 1906

Paul Cézanne, „Mont Saint Victoire“ *** gemeinfrei

Paul Cézanne sagte: „Alles schwindet, alles zerfällt, nicht wahr? Die Natur ist immer die gleiche, aber nichts von dem, was uns in ihr erscheint, ist von Dauer. Unsere Kunst muss ihre erregende Bestän­digkeit gemeinsam mit ihren Elementen und allen Erscheinungs­formen ihrer Veränderungen wiedergeben. Kunst muss uns einen Geschmack von der Ewigkeit der Natur geben.“

Diese Aussage ist wohl eine der klarsten und tiefgründigsten Äuße­rungen über die Natur und den Sinn von Kunst in unserem Zeit­alter.

Was meinte Cézanne, als er vor einem Berg stand, dem Mont St. Victoire, vor einer der stabilsten und langlebigsten Strukturen in der Natur, und sagte. „Alles schwindet, alles zerfällt …“?

Cézanne bezog sich auf den Akt des Sehens.

Spira hat dieser Aussage Cézannes ein ganzes Kapitel in seinem Buch gewidmet, mit der Überschrift „Die Ewigkeit der Natur“, das ganze Kapitel s. Anhang

Spira, Rupert: Bewusstsein ist alles. Über die Natur unserer Erfahrung, Kirchzarten 2011, S. 2004

Außer für Paul Cézanne ist die Montagne Sainte-Victoire auch eine Quelle der Inspiration für andere Künstler und Schriftsteller gewesen.
Selbstporträt, um 1875

Paul Cézanne wurde am 19. Januar 1839 in Aix-en-Provence geboren und studierte nach dem Willen seines Vaters in seiner Heimatstadt Jura, wobei er nebenher im Abendkurs der École Municipale de Dessin Zeichenunterricht nahm. 1861 übersiedelte Cézanne nach Paris, wo er Bekanntschaft mit Pissarro machte. Noch im gleichen Jahr kehrte er entmutigt nach Aix zurück und trat in das Bankgeschäft seines Vaters ein. Zwischen 1862 und 1864 reiste er erneut nach Paris, wo er Renoir, Monet, Sisley, Bazille und später auch Manet kennenlernte. In den Jahren 1864 bis 1870 wechselte er mehrmals zwischen Aix und Paris hin und her und lernte in Paris seine zukünftige Frau Marie Hortense Fiquet kennen. Im Jahre 1872 wurde Cézanne Vater eines Sohnes, der auch Paul genannt wurde, und begann eine Zusammenarbeit mit Pissarro, der ihn impressionistisch beeinflusste. Diese gemeinsame Arbeit währte zwei Jahre lang und am Ende dieser Zeit beteiligte sich Cézanne an der ersten impressionistischen Ausstellung, an der er mit drei Bildern teilnahm, die verhöhnt und verlacht wurden. Zwischen 1879 und 1886 hielt er sich in Paris und bei anderen Künstlern an verschiedenen Orten Frankreichs auf. Schließlich kehrte er nach Aix-en-Provence zurück, wo er den größten Teil der kommenden Jahre verbrachte und am 22. Oktober 1906 verstarb.“ (Kunstkopie.de)

Anders als die meisten anderen Künstler der klassischen Moderne braucht sich Cézanne aber um seine finanzielle Situation keine Sorgen machen:

„Durch den Handel mit Filzhüten hatte Cezannes Vater die Mittel erwirtschaftet, die es ihm 1849 erlaubten, die ein­zige Bank von Aix-en-Provence zu kaufen. Das Bankhaus Cezanne & Cabassol florierte in der Folge, so dass Louis-Auguste Cezanne zehn Jahre später das außerhalb der Stadt gelegene herrschaftliche Landgut Jas de Bouffan erwerben konnte – und als der ehemalige Huthändler 1886 starb, hinterließ er seinem Sohn ein Vermögen, das diesen bis zu seinem Lebensende aller materiellen Sorgen entheben sollte.“ (Baumann, Cézanne, Aufbruch in die Moderne, S. 164)

Cézanne wandelte sich vom Realisten zum Impressionisten und ging dann über den Impressionismus hinaus. Dass er dadurch zum Wegbereiter der Klassischen Moderne wurde, hat aber auch mit vielen Missverständnissen derjenigen zu tun, die ihn für sich in Anspruch nahmen.

Seine Wandlung hat aber auch eine große Bedeutung für das Verständnis von Kunst überhaupt.

Persönlich hatte ich mit den Bildern von Cézanne und mit seiner Bedeutung für die Kunstgeschichte immer Schwierigkeiten. Seine Bilder reizten mich nicht besonders und ich konnte nicht erkennen, was sie so besonders machen sollte. Das hat sich jetzt sehr geändert. Um die Bilder und ihre Bedeutung zu verstehen, ist es wohl notwendig, sich mit seinen Auffassungen zu beschäftigen. Dann wird es allerdings sehr spannend und faszinierend.

Zu seinem Verständnis greife ich daher auf umfangreichere theoretische Abhandlungen von Kunsthistorikern zurück, aber auch von Autoren spiritueller Ausrichtung. Diese Abhandlungen sind zum Teil sehr ungewöhnlich und beziehen sich auf unser gesamtes Weltbild. Sie sind daher nicht immer leicht zu verstehen. Ich empfehle sie trotzdem sehr. Ich weise besonders auf seine Selbstaussagen hin.

Der Kunsthistoriker Walter Hess schreibt in seinem Buch „Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei“ (S. 15-17):

“Cézanne steht seit 1872 mit den Impressionisten, insbesondere mit Pissarro, in enger Verbindung. Und er treibt nun die Reinheit der sen­sualistischen (nur die Augenempfindlichkeit anerkennenden) Natur­auffassung noch um einen entscheidenden Schritt über den Impressio­nismus hinaus. Dieser hatte nämlich eine letzte Konsequenz noch nicht vollzogen. Er hatte in das Gewebe aus farbigen Sinnesreizen im­mer noch das zentralperspektivische Raumgerüst hineinprojiziert. Das ist aber eine in das reine Sehen immer noch hineingetragene Vor­stellungsform, die u. a. das auf einen festen Fluchtpunkt fixierte Auge voraussetzt, bestimmte Verkürzungen nach der Tiefe fordert und einen Horizont, der zugleich die waagerechte Grundebene bezeichnet, auf der alles, was die Erde trägt, als senkrecht stehend vorgestellt wird.

Auch von dieser letzten Vorstellungsform also trennen sich bei Cezanne die reinen Farbeindrücke. Das Auge ist nicht mehr fixiert, das gleiche Bild kann mehrere Perspektiven enthalten, in der Natur senk­recht Stehendes kann mit fallenden Linien divergierend oder konvergie­rend erscheinen, je nach Augenstellung, der Horizont als eine beliebige Linie häufig schräg statt waagerecht. Den reinen Farbeindrücken ist das tektonische Gerüst entzogen. Das geschieht zunächst wohl kaum merk­bar und wohl weitgehend unbewusst. Cezanne spricht davon nie.

Er spricht nicht von dieser Analyse, durch welche er der konsequen­teste Impressionist ist, sondern er spricht von der neuen Synthese, durch die seine Malerei etwas ganz anderes wird als Impressionismus. Das Bild entsteht aus reinen Farbeindrücken (sensations colorées), es ist tektonisch labil, und dennoch ist es kein lockeres Gewebe; sondern es ist, wie wenn die impressionistischen Farbmoleküle zu Farbkristallen zusammenschießen würden. Diese alles durchdringende Kristallstruk­tur macht, wie Cezanne sagt, aus dem Impressionismus etwas so Festes und Solides wie Museumskunst. Damit will er wieder klassisch wer­den, aber , d. h. allein mit Farbeindrücken. Hier fällt nun das im 20. Jahrhundert so häufig wiederkehrende Wort, die Malerei arbeite nicht nach der Natur, sondern parallel zur Natur. Sie ist zwar für Cezanne streng auf ein Motiv bezogen, aber dieses lie­fert nur farbige Sinneseindrücke, welche ergriffen werden von einer rein künstlerischen . Diese verdichteten Farbteilchen zu einer kör­perhaften Härte, die nicht aus der Natur stammt, nicht materiell ist und nicht eigentlich Naturdinge darstellt, sondern eine Bildfläche unmittel­bar zu einem Gesamtgebilde realisiert. Realisation wirklich machen, ist der von Cezanne am häufigsten ausgesprochene Begriff. Er meint eine rein künstlerische Wirklichkeit, die sich deutlich in Gegensatz stellt zur Wirklichkeit des Realismus, der nur Erscheinungsbilder, also Schein darstellt; zum Impressionismus, der Augenblicksempfindungen und subjektive Stimmungsbilder spiegelt; aber auch zum Expressionismus (dessen Frühformen bei Gauguin und van Gogh um 1890 bereits vorla­gen), der subjektive Imaginationen in die Naturerscheinungen hinein­sieht. Wenn bei Cézanne das natürliche Erscheinungsbild erscheint, dann aus objektiven, bildkonstruktiven Gründen, nicht aus subjektiv expressiven.

Das subjektive Ich, so betont Cézanne, sei ausgeschaltet aus dem Realisationsprozess, der nur Farbempfindungen und deren Kristallisation kennt und der für Cézanne eine Art konstruktive Me­ditation ist. In welcher Weise, das hat er selbst mit genügender Deut­lichkeit ausgesprochen. Cezanne wurde von fast allen Richtungen der Gegenwartskunst als Stammvater verehrt, obwohl seine Idee der ob­jektiven Realisation direkt eigentlich nur von den Kubisten aufgegrif­fen wurde.“

Eine Abhandlung im gleichen Buch des Kunsthistorikers André Lhote (S. 96f) versucht eine tiefergehende Analysse, die aber sicher nicht jedem unmittelbar verständlich ist:

Cézannes gewaltiges Unternehmen

Cézanne setzt an die Stelle der akademischen Perspektive eine andere. Er vernachlässigt das tatsächliche Maß der Dinge und gibt ihnen eine geistige Dimension. – Ähnliche Bedeutung hat die geordnete, intelligi­ble bildnerische Verschmelzung der Formen bei Cezanne, dies Über­einanderlegen der Pläne, die Verflechtung der Objekte. Das materielle Objekt zählt nicht mehr, es gibt nur noch ein einziges künstlerisches Gebilde. Wenn Cezanne ging, dann wusste er wohl, dass dies Motiv ganz geistig war. Alles badet in einer idealen Atmosphäre aus reinem Kristall. Nichts Störendes, keine parasitäre Vegetation be­einträchtigt diese ewig richtigen Beziehungen… Wer sich zu solcher Höhe erheben kann, dem scheint sich der ständig wechselnde Kreis der Erscheinungen vollkommenen Figuren anzunähern. Er wird statt des Gegenstandes die Beziehungen auszudrücken suchen, die er mit Kugel, Konus und Zylinder oder mit komplexeren, aus jenen kombinierten Formen unterhält. Cézanne vergleicht den Gegenstand mit seinem Äquivalent in einer höheren Welt und benutzt bildnerische Metaphern. Seit 1885 ist seine Bildkonstruktion das Ergebnis einer methodischen Vereinigung von Elementarformen, wie von Leitmotiven. Alle geben sich untereinander geheimnisvolle Anspielungen wie bildnerische Reime. – Cézannes erste spontane Arbeit lässt aus flüchtigen Empfin­dungen farbige Materie entstehen [impressionistisch], die zweite Tätig­keit findet im Kopf statt und besteht darin, die aus der vorhergehenden Analyse hervorgegangenen Elemente einem Rhythmus zu unterwer­fen. Es gibt keine Gegenstände mehr, sie lösen sich auf, mischen sich, lassen aus dem Ganzen nur noch irgendein bezeichnendes Stück her­vortreten, den Winkel eines Daches oder einer Mauer, letzte Zeugnisse der dieser Synthese vorhergehenden Analyse. Der Rhythmus gleicht einer Bewegung des Chaos, das sich zu kosmischer Ordnung organi­siert. Die Ordnung ist nicht mehr eine Verteilung der Dinge nach der Bedeutung, die ihnen eine unwandelbare Konvention zuerkennt, son­dern eine streng bildnerische Spekulation über Unterschiede ganz ab­strakter Dimension. Der Raum ist nicht mehr materiell, er schließt die Idee des Abstandes und der Leere und Messung aus. Die dritte Dimen­sion ist ausgeschaltet und überlässt den Platz einer ganz metaphori­schen, die uns eine unbegrenzte Vorstellung gibt. Man müsste hier einen Begriff aus der Wissenschaft der Mathematik gebrauchen [vierte Di­mension]. – Man muss das Wort Schönheit streichen. Das Bild wird ein Äquivalent des heiligen Mysteriums. Es ist unmöglich, nicht mitzu­arbeiten an diesem gewaltigen Unternehmen. Der Impressionismus braucht uns, nach dem Gebrauch, den Cézanne von ihm machte, nicht mehr als eine simple Reinigung der Palette zu erscheinen, wie man im­mer noch schreibt. – Cézanne begriff, dass die höchste Art, das Univer­sum nachzuahmen, nicht darin besteht, die Details zu kopieren, son­dern den Mechanismus [gleichnishaft] neu zu schaffen.“ (2)

Besonders wichtig sind mir die Selbstaussagen Cézannes:

… Meine Methode ist der Hass gegen das Phantasiegebilde, sie ist Realismus, aber ein Realismus, verstehen Sie wohl, voll von Größe, der Heroismus des Wirklichen. – Wenn man die Natur zur Expression zwingen will, die Bäume dreht, die Felsen grimassieren lässt oder den Ausdruck zu sehr raffinieren will, das ist alles noch Literatur. – Für den Maler sind nur die Farben wahr. Ein Bild stellt zunächst nichts dar, soll zunächst nichts darstellen als Farben. Geschichten, Psychologie, das steckt trotzdem drin, denn die Maler sind keine Dummköpfe. – Es gibt eine Farbenlo­gik, parbleu (wahrhaftig!, bei Gott! H.L.), der Maler muss ihr gehorchen, nicht der Logik des Ge­hirns. Wenn er sich an diese verliert, ist er verloren. An die Augen muss er sich verlieren. Die Malerei ist eine Optik, der Inhalt unserer Kunst liegt primär in dem, was unsere Augen denken. (2)

Wer künstlerisch schaffen will, muss Bacon folgen, er hat den Künstler definiert als homo additus naturae. (4). Nach der Natur malen bedeutet aber nicht, das Objekt kopieren, sondern Farbeindrücke reali­sieren. – Es gibt eine rein malerische Wahrheit der Dinge. – Wie schwer ist es doch, unbefangen an die Natur heranzutreten, man sollte sehen können wie ein Neugeborener. (2) Ich habe die Natur kopieren wollen, es gelang mir nicht, von welcher Seite ich sie auch nahm. Aber ich war mit mir zufrieden, als ich entdeckt hatte, dass man sie durch etwas ande­res repräsentieren muss, durch die Farbe als solche. Man muss die Natur nicht reproduzieren, sondern repräsentieren. Wodurch? Durch gestal­tende farbige Äquivalente. (3) Es gibt nur einen Weg, alles wiederzuge­ben, alles zu übersetzen: die Farbe. Die Farbe ist biologisch, möchte ich sagen, sie macht allein die Dinge lebendig. (2)

Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur

Mein Motiv, sehen Sie, das ist so: (Cézanne breitet die Hände aus mit gespreizten Fingern, nähert sie ganz langsam einander, verbindet sie, verschränkt sie krampfhaft ineinander) das ist es, was man erreichen muss. Wenn ich zu hoch oder zu tief greife, ist alles verpfuscht. Es darf keine einzige lockere Masche geben, kein Loch, durch das die Wahrheit entschlüpft. Ich lenke den Realisationsprozess auf meiner Leinwand in allen Teilen gleichzeitig. Ich bringe im gleichen Antrieb, im gleichen Glauben alles miteinander in Beziehung, was auseinanderstrebt. Alles, was wir sehen, nicht wahr, verstreut sich, entschwindet. Die Natur ist immer dieselbe, aber von ihrer sichtbaren Erscheinung bleibt nichts bestehen. Unsere Kunst muss ihr das Erhabene der Dauer geben … Was ist hinter der Natur? Nichts vielleicht. Vielleicht alles. Also ver­schränke ich diese umherirrenden Hände. Ich nehme rechts, links, hier, dort, überall diese Farbtöne, diese Abstufungen, ich mache sie fest, ich bringe sie zusammen. Sie bilden Linien, werden Gegenstände, Felsen, Bäume, ohne dass ich daran denke. Sie nehmen ein Volumen an… meine Leinwand verschränkt die Hände. Sie schwankt nicht. Sie ist wahr, sie ist dicht, sie ist voll. Aber wenn ich die geringste Schwäche habe, besonders … wenn ich beim Malen denke, wenn ich dazwischen­komme, dann stürzt alles ein und ist verloren.

[Frage von Gasquet: Wieso, wenn Sie dazwischenkommen?] Der Künstler ist nur ein Aufnahmeorgan, ein Registrierapparat für Sinnes­eindrücke, aber ein guter, sehr komplizierter. – Er ist eine empfindliche Platte, aber die ist vorher durch viele Bäder in den Zustand der Empfindlichkeit versetzt worden, Studien, Meditationen, Leiden und Freuden, das Leben haben sie vorbereitet. – Aber wenn er [der Künstler als subjektives Bewusstsein] dazwischenkommt, wenn er sich willent­lich einmischt, der Elende, in den Übersetzungsprozess, dann bringt er nur seine Bedeutungslosigkeit hinein, das Werk wird minderwertig.

[Gasquet: Der Künstler wäre also geringer als die Natur?] Nein, das habe ich nicht gesagt. Die Kunst ist eine Harmonie parallel zur Na­tur… Der Maler ist ihr nebengeordnet, wenn er nicht eigenwillig ein­greift. Sein ganzes Wollen muss schweigen. Er soll in sich verstummen lassen alle Stimmen der Voreingenommenheit, vergessen, Stille ma­chen, ein vollkommenes Echo sein. — Die Natur draußen und die hier drinnen [er schlägt sich an die Stirn] müssen sich durchdringen, um zu dauern, zu leben, ein halb menschliches, halb göttliches Leben, das Leben der Kunst. Die Landschaft spiegelt sich, vermenschlicht sich, denkt sich in mir. Ich objektiviere und fixiere sie auf meiner Leinwand (2).

Der blaue bittere Duft der Pinien in der Sonne muss sich vermählen mit dem grünen Geruch der Wiesen und dem Hauch der Felsen des fernen Marmors vom Sainte-Victoire-Gebirge. Das muss man wiedergeben, und zwar allein in den Farben, ohne Literatur. Die Kunst, glaube ich, setzt uns in den Stand der Gnade, wo wir die universelle Emotion, wie in den Farben, so überall finden. — Der Tag wird kommen, wo eine einzige Mohrrübe, die ein Maler so mit Maleraugen gese­hen hat, eine Revolution hervorbringen kann. — Man machte [im 19. Jahrhundert vor Delacroix] eine Landschaft als von außen zusam­mengesetzt, komponiert, man wusste nicht, dass die Natur mehr in der Tiefe liegt als an der Oberfläche. Man kann die Oberfläche verändern, schmücken, aufputzen, aber man kann so die Tiefe nicht berühren. Die Farben sind der Ausdruck dieser Tiefe an der Oberfläche, sie steigen von den Wurzeln der Welt auf. – Ich stelle mir die Farben bisweilen vor als große Noumena (vielleicht: intellektuelle Erkenntnisse, H.L)., leibhaftige Ideen, Wesen reiner Vernunft. Ich denke an nichts, wenn ich male, ich sehe Farben, sie ordnen sich, wie sie wollen, alles organisiert sich, die Bäume, Felder, Häuser, durch Farbflecken. Es gibt nur noch Farben und in ihnen Klarheit, das Sein, welches sie denkt. – Die großen klassischen Länder, unsere Provence, Griechenland, Italien, sind die, wo die Klarheit sich spiritualisiert, wo eine Landschaft das schwebende Lächeln einer scharfen Intelligenz ist. Die Zartheit unserer Atmosphäre berührt sich mit der Zartheit unseres Geistes. Die Farben sind der Ort, wo unser Gehirn und das Universum sich begegnen.“ (2)

Hess, Walter: Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei, Hamburg 1998, S. 20-25, (Ausschnitte)

Cézanne beschreibt den Zustand, in dem er malt, mit Eigenschaften, die jede Lehrer der Kontemplation oder jedem Zen-Meister sofort mit dem Zustand identifizieren wird, der in ihren Übungen angestrebt wird. Er versucht seinen Verstand und sein eigenes Wollen auszuschalten, er geht in die Stille und er möchte so unvoreingenommen sein, wie ein neugeborenes Kind. Er will zum Spiegel werden und was im Spiegel erscheint, versucht er zu objektivieren, das heißt, auf der Leinwand erscheinen lassen. Das, was er objektivieren will, die Natur, zeigt sich einzig in der Farbe. Wenn er in die Tiefe der Natur eindringen will, muss er sich ganz auf die Farbe konzentrieren und bei dieser Konzentration bleiben. Die Farbe ist das Vehikel und der Ankerpunkt der Konzentration.

Wie kann man sich das vorstellen? Er steht nicht vor seiner Staffelei und schaut auf die Landschaft und überlegt, wie er das, was er sieht, auf die Leinwand bringt. Er konzentriert sich nicht auf die Landschaft, die mit ihren Farben vor ihm erscheint, wie man sich mit einer Stirnfalte auf einen Gegenstand konzentriert, sondern Konzentration heißt hier, vollständig offen und unvoreingenommen das ganze Feld der Farben, das auf ihn zukommt, mit einem sogenannten weichen Blick aufzunehmen, einem Blick, der die Landschaft als ganze aufnimmt. Er muss das ganze Bild ständig im Blick, im Bewusstsein haben, es darf ihm nichts entschlüpfen, es bildet eine Einheit. Diese Einheit bestimmt die Farbflecken und Abstufungen der Farben, mit denen die Fläche der Leinwand bedeckt werden muss. Das ist ein anstrengender und langwieriger Vorgang. Was entsteht ist nicht ein Abbild der Landschaft – auch wenn er bei dem ganzen Vorgang immer auf die konkrete Landschaft bezogen ist – es ist ein eigenes Gebilde neben der Natur, das aber die Natur in ihrer Tiefe wiedergibt. Der Maler ist sozusagen das Medium, durch das das Bild geschieht, der Maler mit seinem ganzen Hintergrund und seiner Erfahrung.

Vielleicht kann man die Aussagen eines Zen-Lehrers mit Cézannes Vorgehensweise in Zusammenhang bringen:

„Sobald du deine Aufmerksamkeit auf etwas Natürli­ches richtest, auf irgendetwas, dessen Existenz sich oh­ne menschliches Zutun entfaltet, trittst du aus dem Ge­fängnis des begrifflichen Denkens heraus und hast bis zu einem gewissen Grad Anteil am Zustand der Ver­bundenheit mit dem Sein, in dem sich alles Natürliche noch befindet.

Einem Stein, Baum oder Tier Aufmerksamkeit zuzu­wenden heißt nicht, an sie zu denken, sondern sie ein­fach wahrzunehmen und im Bewusstsein zu halten.

Dann teilt sich dir etwas von ihrem Wesen mit. Du spürst, wie still sie sind, und dabei entsteht dieselbe Stille auch in dir. Du spürst, wie tief sie im Sein ruhen – wie sie vollkommen eins sind mit dem, was sie sind und wo sie sind. Indem du das wahrnimmst, findest auch du tief in dir selbst einen Ruheplatz.“

Tolle, Eckhart: STILLE SPRICHT, Wahres Sein berühren, München 2003, S. 80

Paul Cézanne, Stillleben mit Obstschale, 1879/80 *** gemeinfrei

Nach dem Bild mit dem Berg „Mont St Victoire“ habe ich nun dieses Stillleben als zweites Bild Cézanns in meine Reihe der „Grünen Quadratbilder“ auf. „Zu den wichtigsten Sujets in Cézannes Werk zählen seine Stillleben und seine Ansichten des Montaigne Sainte-Victoire.“ (Internet) Stillleben bedeutet „Stilles Leben“. Anders als bei lebenden Modellen oder Landschaften veränderten sich die arrangierten Gegenstände eines Stilllebens während des Malvorgangs nicht. Weil Cézanne nur sehr langsam arbeitete, konnte er an Stillleben seine besondere Bildauffassung ungestört erarbeiten.

Césanne hat über 170 Stillleben gemalt. Von denen, die mir zur Auswahl standen, habe ich gerade dieses ausgewählt, weil es mir sehr ungewöhnlich vorkam. Die unteren 2/3 des Bildes sind ganz real und farbig gemalt, dass obere Drittel Grau in Grau und unreal verblassend. Der obere Teil der Obstschale und der Kelch des Glases ragen in diesen Bereich hinein. Die Obstschale erscheint noch ganz real, aber die Farben der Früchte in der Schale sind blasser als die übrigen Früchte und auch die Farbe des Getränkes ist einfach grau. Der Kelch des Glases scheint im grauen Bereich aufzugehen. Aus der oberen linken und rechten Ecke des Bildes hängen graue Zweige mit Blättern ins Bild. Diese Gestaltung kam mir sehr ungewöhnlich und unverständlich vor. Aus gestalterischen Gründen könnte ich mir noch vorstellen, dass er auf diese Weise im Kontrast die Farbigkeit der Früchte im unteren Teil des Bildes verstärken wollte. Das scheint mir aber nicht als Grund zu genügen, zumal Cézanne es immer auf das Bild als Ganzes ankommt und z. B. nicht auf den besonderen Glanz der Früchte oder der weißen Decke. Das schräg abgebildete Messer gibt dem Bild räumliche Tiefe und Lebendigkeit.

Als ich mich näher mit der Geschichte des Bildes beschäftigte, stelle ich fest, dass schon zu Cézannes Lebzeiten dieses Bild als etwas Besonderes angesehen wurde. Der Maler Maurice Denis stellte es sogar bei einem Treffen mit anderen Künstlern und Kunstkennern in den Mittelpunkt und hieltlt dieses Treffen in einem Gemälde fest:

(Die folgenden Bilder und Texte sind aus: Cézanne: Aufbruch in die Moderne, Katalogbuch Folkwang, 2004)

Maurise Denis, Hommage à Cézanne, 1900 *** gemeinfrei

„Und mit Bedacht ist ausgerechnet dieses Stillleben mit Obstschale als besonders sprechendes Beispiel für Cezannes Kunst gewählt worden (Abb. S. 23).Wenn man davon ausgehen darf, dass es für Denis ein leichtes gewesen wäre, Volard um die Erlaubnis zum Kopieren eines Gemäldes aus seinem Galeriebestand zu bitten – zumal da ja die Szene in seinen Räumlichkeiten spielt —, muss umso stärker betont werden, dass der Wunsch, gerade dieses Stillleben, dass von 1897 bis 1907 dem Pariser Sammler Georges Viau gehörte, ins Zentrum der Hommage zu rücken, einem ganz besonderen Willen entsprang. Der Grund für diese Wahl aber liegt, abgesehen davon, dass dieses 1879/80 entstandene Gemälde sämtliche Merkmale der beginnen­den konstruktiven Phase, d. h. die Transformation der dargestellten Gegenstände in eine bildimmanente Wirklichkeit, besonders prägnant in sich vereinigt, vor allem darin, dass der Vorbesitzer Gauguin war.

Gauguin war ein glühender Verehrer Cézannes und hatte bereits 1883 bei dem Farbenhändler Pére Tanguy zwei Bilder von ihm erworben. Besonders schätzte er das Stillleben mit Obstschale; als er 1888 – nicht das einzige Mal! – in Geldnöten war, antwortete er seinem Freund Émile Schuffenecker, der ihm zur Linderung der materiellen Sorgen angeboten hatte, das Bild zu erwerben, er würde sich von diesem Bild nur im äußersten Notfall, d. h. erst nach dem letzten Hemd trennen.

Der schönste Beweis dafür, wie wichtig Gauguin dieses Bild gewesen ist, liegt jedoch darin, dass er es in seinem 1890 in der Bretagne gemalten Frauenbildnis mit diesem Stillleben von Cézanne (Abb. S. 24) im Hintergrund darge­stellt hat, was darauf schließen lässt, dass das Cézanne-Stillleben zu Gauguins Reisegepäck gehört hat. Als erstes fällt auf, dass Gauguin das Vorbild ganz offensichtlich ver­größert wiedergibt, sonst würde es nicht den Oberkörper der sitzenden Figur samt Kopf überragen und beinahe den gesamten Bildhintergrund einnehmen. Es geht indessen nicht nur um diese motivische Übernahme, sondern vielmehr darum, dass sich Gauguin in unübersehbarem Maße mit der Malerei von Cézanne auseinandergesetzt hat. Dies betrifft auch die Darstellung der weiblichen Sitzfigur; man vergleiche nur die Stilisierung des in Drei­viertelansicht gesehenen Gesichtes mit dem nur wenige Jahre zuvor entstandenen Gemälde Madame Cézanne mit Fächer (Abb. S. 34): eine beinahe identische Linien­führung, derselbe Lichteinfall von links und vor allem dieselbe Ausformung der schwarzen, mandelförmigen Augen.

Paul Gauguin 1848 – 1903

Paul Gauguin, Frauenbildnis mit einem Stillleben von Cézanne, 1890

Und es ist wohl nicht zu weit gegangen, in Gauguins Stillleben Orangen und Zitronen (Abb. S. 25) eine direkte Antwort auf Cézanne zu sehen. Auch dieses Bild ist um 1889/90 in der Bretagne entstanden, was der Blick aus dem Fenster und die eigenartige Darstellung einer Gans am rechten Bildrand, die auf die Inneneinrich­tung des Gasthofes der Marie Henry in Le Fouldu7 anspielt, bestätigt. Während die synthetische Flächigkeit der Landschaftsgestaltung nicht mit Cezanne in Verbin­dung gebracht werden kann, spiegeln der leicht geneigte Tisch, die Früchteschale mit hohem Fuß und das weiße Tuch seinem Einfluss; dieser beschränkt sich nicht auf die Motivwahl, sondern ist auch in den kurzen, parallelen Pinselstrichen – besonders gut ersichtlich in der Modula­tion der weißen Tuchfalten – zu erkennen. Dass allerdings auch Unterschiede zu Cézanne deutlich werden, hat Fred Leeman hervorgehoben: »Während in Cézannes Gemälde die Kontraste der Formen und die Farb­abstufungen kraftvoll sind und Licht und Raum evozieren, verbinden sich bei Gauguin Früchte, Schale, Tasse, Tuch und Tisch zu einem dekorativen Muster mit den schwingen­den Konturen des synthetistischen Stiles.«

Paul Gauguin

Cézanne war über diese offenkundige Vereinnahmung durch Gauguin übrigens nicht glücklich. Auch wenn er von dessen Ausruf, den er in Le Pouldu beim Beginn eines neuen Bildes getan haben soll – »Machen wir also einen Cézanne -, sicherlich nichts wusste, hat er sich doch über Gauguin beklagt: »Il a volé ma petite sensation« (Er hat mir meine kleine Empfindung gestohlen).10 “ S. 21

Worum ging es Cézanne bei seiner Malerei und was macht ihn so revolutionär?

„Denn es geht, wie bereits des Öfteren betont, in der Malerei Cézannes – abgesehen vom »wilden« Frühwerk – um die Gestaltung (»réaliser« nannte es der Künstler selbst) malerischer und nicht inhaltlicher Fragestellungen. Oder anders ausgedrückt: Inhalt der Malerei Cézannes ist die Malerei selbst. In diesem Sinne sei daran erinnert, dass bei den Portraits nicht äußere Ähnlichkeit mit dem Dargestellten gesucht wurde, dass bei den Badenden nicht die Darstellung der Schönheit des nackten Körpers den Künstler bewogen hat, sich so intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Nein, es ging immer darum, Gegenstände der realen Umwelt in eine Bildwirklichkeit zu übersetzen, die ausschließlich den Gesetzen des Bildfeldes zu gehorchen hatte. Und da Cézanne (außer bei den Badenden) stets von der intensiven Betrachtung des Objektes ausging, das in die malerische Logik übersetzt werden musste, liegt auf der Hand, dass die stummen Dinge, die sich in seiner unmittelbaren Umgebung fanden, sich als besonders geeigneter Bild­vorwand erwiesen.

Die Neutralität des Gegenstandes, dem keine Symbol­haftigkeit für übergeordnete Zusammenhänge mehr zuerkannt werden musste, erlaubte den freiesten Umgang im Pozess der Umsetzung zu einer Bildsprache »parallel zur Natur«. 2 S.76

Wie er mit Elementen der Tradition umging und in seinem Sinne einsetzte, zeigt sein Umgang mit der weißen Tischdecke in seinen Stillleben, die er aus der Tradition übernahm:

„Wenn sich nun Cézanne dieses Kunstgriffs bedient, be­schreitet er motivisch also keineswegs Neuland — wie er das Tuch allerdings als Teil der intendierten Bildharmonie einsetzt, zeigt, dass er auch Gegenstände, die durch eine lange Vorgeschichte geprägt – oder gar abgenutzt? ­sind -, völlig neu zu interpretieren weiß. Zunächst: Cézanne übernimmt den Topos des drapierten Tuchs nicht, um wie in den meisten vorangegangenen Beispielen dessen Materialität hervorzuheben; es geht nicht darum, die spezifische Qualität des Stoffs mit dem durchsichtigen Glanz eines Glases oder eines polierten Kupferkessels, mit der glattgeriebenen Schale eines Apfels oder der samtigen Oberfläche eines Pfirsichs in kunstvoll-kontrastreiche Ver­bindung zu setzen. Cézanne ist kein Maler der artisti­schen Nachbildung von Oberflächenreizen, d.h., ein höchst bedeutendes Movens letztlich aller früheren Stillleben­maler interessiert ihn nicht. Insofern ist Cezanne, gerade wenn er die traditionellen Versatzstücke der Stillleben­malerei aufgreift, ein Revolutionär.

Weshalb denn hat Cezanne nur selten auf dieses abge­droschene Requisite verzichtet? Es ist ihm in seiner Varia­bilität ein willkommenes Mittel, den Rhythmus eines Bildgefüges zu beschleunigen oder auch zu verlangsamen, eine neutrale oder akzentuierende Folie abzugeben für die Plazierung von Gegenständen, deren Farbe das neutrale Weiß aufnehmen und variieren kann, um so die gewünschte farbliche und kompositorische Harmonie als übergeordnete Bildarchitektur herzustellen. Und das in Falten arrangierte Tuch erlaubt auch, räumliche Diskonti­nuitäten, die sich an der Grenze der Wahrnehmbarkeit bewegen, so zu überspielen, dass die Einheit der Bild­struktur gewährleistet ist.“ S.86

Nun aber zur Gestaltung des in Grau gestalteten oberen Drittels des Silllebens, die mich besonders intereressiert. In der von mir befragten Literatur habe ich dazu nichts gefunden, was mich wundert.

Vielleicht wird diese Gestaltung verständlich, wenn ich auf eine Aussage Cézannes, die ich bei der Interpretation seines Bildes „Mont Saint Victoire“ behandelt habe, zurückkomme:

„Paul Cézanne sagte: ‚Alles schwindet, alles zerfällt, nicht wahr? Die Natur ist immer die gleiche, aber nichts von dem, was uns in ihr erscheint, ist von Dauer. Unsere Kunst muss ihre erregende Bestän­digkeit gemeinsam mit ihren Elementen und allen Erscheinungs­formen ihrer Veränderungen wiedergeben. Kunst muss uns einen Geschmack von der Ewigkeit der Natur geben.‘

Diese Aussage ist wohl eine der klarsten und tiefgründigsten Äuße­rungen über die Natur und den Sinn von Kunst in unserem Zeit­alter.
Was meinte Cézanne, als er vor einem Berg stand, dem Mont St. Victoire, vor einer der stabilsten und langlebigsten Strukturen in der Natur, und sagte. ‚Alles schwindet, alles zerfällt …‘?

Cézanne bezog sich auf den Akt des Sehens.“

Spira, Rupert: Bewusstsein ist alles. Über die Natur unserer Erfahrung, Kirchzarten 2011, S. 2004

(Spira hat dieser Aussage Cézannes ein ganzes Kapitel in seinem Buch gewidmet, mit der Überschrift: „Die Ewigkeit der Natur“. Das ganze Kapitel s. Anhang zu „Mont Saint Victoire“)

Wenn man dieses Stillleben vor dem Hintergrund dieser Aussage von Cézanne zu deuten versucht, wird es vielleicht etwas verständlicher. Ob Cézanne dieser spirituelle Hintergrund so explizit gegenwärtig war, wie er von Rupert Spira entfaltet wird, kann bezweifelt werden. Ich gehe aber davon aus, dass es seinen Erfahrungen entsprach, die er als „Einsiedler“ im Kampf mit seinen Bildern gemacht hatte.

Versuch einer Interpretation

Im oberen Drittel des Bildes scheint sich tatsächlich die reale Wirklichkeit im einheitlichen Grau aufzulösen. Die äußere Wirklichkeit verblasst. Dazu der Kontrast im unteren Teil: Die Früchte in diesem Bereich des Bildes machen einen ganz realen, materiellen Eindruck, ja, erzeugen sogar den Eindruck einer reichen Fülle. Noch „materieller“ wirkt der Untergrund, auf dem die Früchte liegen. Wir erwarten eigentlich, dass die Gegenstände des Stilllebens auf einem Tisch oder einer ähnlichen Unterlage angeordnet sind und merken daher nicht gleich, dass da kein Tisch, sondern eher Steinquader sind, auf denen sich eine braune Fläche wie ein Feld ausbreitet und einen Horizont bildet. Dieser „Horizont“ ist nicht einmal horizontal, sondern etwas nach innen gewölbt. Worauf sich das hervorstechende dunkelbraune Gebilde etwa in der Mitte des unteren Randes des Bildes bezieht, ist mir nicht ersichtlich. Wenn es nicht einfach die Funktion eines Gestaltungselement für das Bildganze hat, könnte es noch am ehesten einen Spalt zwischen den „Steinblöcken“ darstellen. (Auf einem anderen ähnlichen Stillleben, „Stillleben mit Äpfeln und Keksen“, scheint es ein Tischbein zu sein.)

Die Einheit des Bildganzen wird durch kein Element gestört.

„Unsere Kunst muss ihre erregende Bestän­digkeit gemeinsam mit ihren Elementen und allen Erscheinungs­formen ihrer Veränderungen wiedergeben. Kunst muss uns einen Geschmack von der Ewigkeit der Natur geben.“ (Cézanne)

Für mich ist ihm das gelungen. Wenn ich es anschaue, ist es erregend, erregend im Sinne von beglückend.

Paul Cézann: Der See von Annecy (1896) Originalgröße: 79 x 64 cm

„Wer war Paul Cézanne?

Paul Cézanne (1839–1906) wird hauptsächlich als Maler des Post-Impressionismus gesehen, ging er doch rasch über die Fragestellungen des Impressionismus hinaus und entwickelte eine einzigartige Methode, Formen mit Farben aufzubauen. Sein analytischer Zugang beeinflusste den Kubismus, Fauvismus und folgende Generationen von Avantgarde-Künstlern. Sowohl Henri Matisse wie Pablo Picasso bewunderten seine Gemälde. Matisse erwarb sogar ein Bild von Cézanne und nannte ihn den „Vater von uns allen“. (Internet)

„Ich denke an nichts, wenn ich male, ich sehe Farben.“ (Paul Cézanne)

Warum ist Paul Cézanne bedeutend?

Grund für seine Bedeutung und die Sattelstellung seines Werks zwischen zwei Jahrhunderten ist, Cézannes Synthese von Wirklichkeitsbeobachtung (Plein-air Malerei) und Abstraktion (Auftragen der Farbe in Flecken, den sogenannten tache). Damit betonte er den Prozess des Malens und des Studiums von Form und Farbe…… Zu den wichtigsten Sujets in Cézannes Werk zählen seine Stillleben und seine Ansichten der Montaigne Sainte-Victoire. Der zwischen der Provence und Paris pendelnde Künstler reiste so gut wie nie und bedurfte keiner neuer Landstriche, um seine beharrliche Recherche an den Möglichkeiten und Grundlagen der Malerei fortzuführen.

Wenn auch Paul Cézanne unerschütterlich daran glaubte, als Maler an bedeutenden Fragestellungen zu arbeiten, genauso ruinierte sich der Aufbrausende durch ständige Selbstzweifel. Als Künstler steht Cézanne paradigmatisch für das Ringen mit sich selbst, das erst spät in seiner Karriere mit Erfolg am Kunst- und Ausstellungsmarkt gewürdigt wurde. Trotz vieler Rückschläge und harscher Kritiken ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen. Cézanne weigerte sich, künstlerische Kompromisse einzugehen, ja empfand seinen Mut als unabdingbar für die Abkehr von der akademischen Salonmalerei. Um sich ganz seiner Kunst hinzugeben, lehnte er auch gesellschaftliche Zugeständnisse ab. Obschon Cézanne 1886 nach siebzehnjähriger heimlicher Liebschaft Hortense Fiquet ehelichte und so den gemeinsamen Sohn legalisierte, führte er doch das Leben eines zurückgezogenen, manchmal skurril wirkenden Sonderlings. Seine einzige Leidenschaft war die Malerei, weshalb der Autodidakt der „Einsiedler aus Aix“ gerufen wurde.“ (Internet)

„Auch wenn vieles, was Cezannes Schüler im Geiste von ihrem großen Vorbild lernten oder adaptierten, auf einem fruchtbaren Missverständnis beruht haben mag – siehe Fred Leemans Beitrag -, hat kein Künstler des 19. Jahrhunderts einen derartig nachhaltigen Einfluss auf die Kunst des 20. Jahrhunderts ausgeübt wie Cezanne. Seine wichtigste Neuerung in der Malerei fußte auf dem Anspruch an das gemalte Bild, dass es in diesem »keine einzige lockere Masche« geben dürfe, »kein Loch, durch das die Erregung, das Licht, die Wahrheit entschlüpft«, ein Anspruch, den Rainer Maria Rilke vor Cezannes Bildern in dessen erster Gedächtnisausstellung im Pariser Salon d’Automne von 1907 so formulierte: »Es ist, als wüsste jede Stelle von allen.« Alles in Cezannes Malerei – wie der Aufbau des Bildes als dichtes Gewebe von Farbflecken (taches), das mit den unbemalt belassenen Stellen kontrastiert, die partielle Einebnung der Volumen der Bildgegenstände bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von raumanzeigenden Achsen und Körpern, die kunstvolle Ausbalancierung von Kontrasten im Bereich der Farbigkeit und der Massenverteilung sowie im Verhältnis von Linie und Farbe, die Synthese von tektonischem Bildaufbau und Fluktuation, von Dauer und Veränderung – ist diesem Ziel der absoluten Gestaltung eines vollkommenen Bildes untergeordnet und dient ihm. Die nachfolgende Künstlergeneration hat sich dieser Bildmittel und Methoden je nach Cha­rakter und Vorlieben bedient, ohne jedoch noch den hohen und vielleicht uneinlösbaren Anspruch des Meisters aufrechtzuerhalten.“ S. 8f

aus: Cézanne Aufbruch in die Moderne, Herausgegeben von Felix A. Baumann, Walter Feilchenfeld, Hubertus Gaßner, Katalogbuch 2004, Museum Folkwang

Schauen auf die Totalität

„Wenn wir über den Zugang des Schauens ins Nichts das SEIN aufsuchen, haben wir manchmal den Eindruck, dass SEIN eine Dimension jenseits der normalen Erfahrungen und der Erscheinungen der Welt ist. Aber SEIN ist umfassend und schließt nichts aus. Besonders deutlich wird das in der Metapher von Welle und Wasser. Wie auch immer Wasser in Erscheinung tritt, als Welle, Bach, See oder Wolke, es ist und bleibt formloses Wasser. Und so ist jede Erscheinung, jede Erfahrung und jede Handlung im Grunde durchdrungen von SEIN. Nur weil wir Menschen in der Regel immer sehr fokussiert auf die Oberflächendimension der Phänomene schauen, erfassen wir das Ganze, die grundlegende Dimension des SEINs darin nicht.

Wenn wir das Umfassende am SEIN erfahren wollen, ist es daher hilfreich, einen anderen Zugang zu wählen: Wir schauen dabei auf die Totalität, auf die Ganzheit der augenblicklichen Erfahrung. Auch das ist kein Tun, sondern nur eine besondere Art der Aufmerksamkeit, bei der wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit ganz weit lassen.

Wir öffnen zum Beispiel die Augen und schauen mit einem „weichen Blick“. Dabei wird zwar das Sehen unscharf, aber wir erfassen das ganze Sichtfeld. Unser Schauen wird umfassend. Oder wir hören nicht mehr fokussiert auf die einzelnen Geräusche und deren Bedeutung, sondern auf die Ganzheit der Geräusche ohne Verstehen und ohne die üblichen Zuordnungen. Wir fühlen uns dabei vielleicht wie ein kleines Kind, das sich zutiefst sicher und geborgen fühlt, wenn es die Stimmen und Geräusche der Eltern im Hintergrund als Gemurmel hört. Der Inhalt der Worte hat keinerlei Bedeutung dabei. Oder wir spüren die Gesamtheit unserer augenblicklichen Körperempfindungen, ohne genauer zu differenzieren, welche Empfindung wohin gehört.

Das Prinzip ist immer das Gleiche. Wir sind auf eine unscharfe, unfokussierte Weise aufmerksam und erfassen die Ganzheit der augenblicklichen Wahrnehmungen. Je tiefer wir in die Wahrnehmung der Totalität des augenblicklichen Erlebens eintauchen und je vollständiger unsere Aufmerksamkeit dabei ist, desto mehr verschwinden alle Differenzierungen und damit auch alle Trennungen, die unser Verstand in der Alltagswahrnehmung erzeugt. Es bleibt ein einheitliches dichtes Feld von SEIN, das alle Wahrnehmungen einschließt. Präsenz wird hier in einer umfassenden Dimension erfahren.“

Stiegler, Richard: Im Einklang leben, spirituelle Grundhaltung und Alltag, Freiburg 2016, S. 31 f

Bronzestatue Cézannes von Gabriel Sterk auf dem Place de la Rotonde in Aix-en-Provence

Anhang

Das Folgende ist ein ganzes Kapitel aus dem Buch: „Bewusstsein ist alles“ von Rupert Spira

„Die Ewigkeit der Natur“

Hat Kunst irgendeine Bedeutung oder einen Wert in der Untersu­chung oder in den Ausdrucksformen der Natur von REALITÄT?

Paul Cézanne sagte: „Alles schwindet, alles zerfällt, nicht wahr? Die Natur ist immer die gleiche, aber nichts von dem, was uns in ihr erscheint, ist von Dauer. Unsere Kunst muss ihre erregende Bestän­digkeit gemeinsam mit ihren Elementen und allen Erscheinungs­formen ihrer Veränderungen wiedergeben. Kunst muss uns einen Geschmack von der Ewigkeit der Natur geben.“

Diese Aussage ist wohl eine der klarsten und tiefgründigsten Äuße­rungen über die Natur und den Sinn von Kunst in unserem Zeit­alter.
Was meinte Cézanne, als er vor einem Berg stand, dem Mont St. Victoire, vor einer der stabilsten und langlebigsten Strukturen in der Natur, und sagte. „Alles schwindet, alles zerfällt …“?

Cézanne bezog sich auf den Akt des Sehens.

Wir nehmen keine Welt außerhalb des BEWUSSTSEINS wahr. Die Welt ist unsere Wahrnehmung der Welt. Es gibt keinen Beweis da­für, dass es eine Welt außerhalb der Wahrnehmung der Welt gibt, außerhalb von BEWUSSTSEIN.

Das Gesehene kann nicht vom Sehen getrennt werden und Sehen kann nicht vom BEWUSSTSEIN getrennt werden.
Ein materielles Objekt kann genauso wenig im BEWUSSTSEIN er­scheinen, wie ein materielles Objekt in den Gedanken erscheinen kann.
Nur ein Objekt, das aus Materie besteht, kann im Raum erscheinen. Nur ein Objekt, das aus Geist besteht, kann im Geist erscheinen. Und nur ein Objekt, das aus BEWUSSTSEIN besteht, kann im BE­WUSSTSEIN erscheinen.

Und da letztlich alles im BEWUSSTSEIN erscheint, ist bei genauer Betrachtung letztlich alles aus BEWUSSTSEIN gemacht.
Wenn wir sagen, wir nähmen ein Objekt wahr, so meinen wir, dass dieses Objekt im BEWUSSTSEIN erscheint. Es ist eine Wahrnehmung im BEWUSSTSEIN.
Schließen wir für einen Moment unsere Augen, so verschwindet die vorherige Wahrnehmung vollständig. Öffnen wir unsere Augen wieder, so erscheint eine neue Wahrnehmung. Auch wenn es den Anschein erweckt, als erschiene das gleiche Objekt erneut, so ist es in Wirklichkeit doch eine neue Wahrnehmung.

Wiederholen wir diesen Prozess und schauen das scheinbar gleiche Objekt für eine gewisse Zeit an, so trägt der Geist die verschiede­nen Bilder oder Wahrnehmungen zusammen und leitet daraus die Vorstellung von einem materiellen Objekt her, das während des Erscheinens und Verschwindens der Wahrnehmungen scheinbar durchgängig anwesend war und das in Raum und Zeit existiert, un­abhängig vom BEWUSSTSEIN, das es wahrnimmt.

Dieses Konzept, diese Vorstellung erscheint und verschwindet wie jede andere Wahrnehmung. Und mit dem nächsten Gedanken wird ein Subjekt hergeleitet, ein Betrachter, der vermeintlich verschiede­ne „visuelle Wahrnehmungen“ des scheinbaren Objekts hatte und der vermeintlich vor, während und nach dessen Erscheinen gegen­wärtig war.

Objekt und Betrachter, die man so auffasst, als existierten sie an und für sich, unabhängig vom Gedanken, der sie denkt, sind in die­sem Fall beides Konzepte.
Solch ein Objekt und sein Subjekt, der Betrachter, sind tatsächlich einfach nur genau der Gedanke, mit dem sie hergeleitet werden.

Und um solch ein Objekt herzuleiten, das in Raum und Zeit exis­tiert und Bestand hat, müssen zunächst Raum und Zeit hergeleitet werden, um Objekte zu beherbergen.
Aber auch bei Raum und Zeit stellt sich heraus, dass sie nur der Ge­danke sind, mit dem sie hergeleitet werden.

Die Fähigkeit des Geistes, sich ein Objekt und ein korrespondieren­des Subjekt herzuleiten, ist nützlich, spiegelt jedoch kein zutreffen­des Modell unserer Erfahrung wieder.

Gemäß unserer tatsächlichen Erfahrung verschwindet eine Wahr­nehmung vollständig, bevor die nächste Wahrnehmung erscheint. In diesem Sinne ‚schwindet‘ alles von Moment zu Moment, wie Cézanne sagte.

Die scheinbare Erfahrung eines festen Objekts wird durch dieses Verständnis aufgelöst und wird ersetzt durch das Verständnis, dass wir in Wahrheit eine Reihe flüchtiger, substanzloser Wahrneh­mungen erfahren. In diesem Sinne ,zerfällt alles‘.

Und dennoch haben wir die tiefe Intuition, dass so etwas, was Cé­zanne ‚Natur‘ nennt, Bestand hat.
Woher kommt dieses Gefühl von Bestand oder Dauer? Wie ge­langt Cézanne zu der Erkenntnis: ,Die Natur ist immer die gleiche‘, der vorausgeht, dass er bereits erkannt hat: ‚Alles, was wir sehen, schwindet, zerfällt‘?

Als Menschen sind wir genauso Teil der Natur wie der Berg, den Cézanne betrachtete.
Körper/Geist/Welt sind ein integriertes Sys­tem.

Daher muss das Erforschen des sogenannten inneren, subjektiven Bereichs unserer selbst und des sogenannten externen, objektiven Bereichs der Natur letztlich zu der gleichen REALITÄT führen.

Natur und Mensch sind Teil eines integrierten Systems und müssen sich daher ihre EXISTENZ teilen. Ihr SEIN muss geteilt werden.
Betrachten wir zunächst den objektiven Aspekt. Cézanne bestätigt, dass das Gefühl von Dauer oder Bestand in der Natur nicht aus der Erscheinung all ihrer Veränderungen stammen könne, denn nichts, was uns in ihr erscheint, ist von Dauer‘.

Indirekt bestätigt er, dass ein ‚Objekt‘ ein Konzept ist, eine Vor­stellung, die aus einer Reihe flüchtiger, substanzloser Wahrneh­mungen hergeleitet wird. Und dass jede dieser Wahrnehmungen eine gemeinsame REALITÄT hat. Diese REALITÄT wird durch solche Erscheinungen zum Ausdruck gebracht, ist aber unabhängig von ih­nen.

In seiner Aussage ,Die Natur ist immer die gleiche, aber nichts von dem, was uns in ihr erscheint, ist von Dauer‘ gibt es drei Elemente:
Es gibt die REALITÄT oder EXISTENZ von Natur, die ,immer die glei­che‘ ist. Es gibt die Erscheinung der Natur, in der ,nichts von Dauer‘ ist. Und es gibt ‚uns‘, das heißt BEWUSSTSEIN, das der Erscheinun­gen gewahr ist.

Cézanne bestätigt diese drei Elemente in jeder Erfahrung. EXIS­TENZ, Erscheinung, BEWUSSTSEIN.
Aus welchem dieser drei Elemente leitet Cézanne das Wissen her, dass es in unserer Erfahrung der Natur etwas gibt, was ,immer das Gleiche‘ ist, dass es etwas gibt, was Bestand hat?

In der Aussage ,Nichts in ihr (der Natur), das uns erscheint, ist von Dauer‘ verwirft Cézanne alles, was in der Natur erscheint, als mög­liche Quelle dessen, was ,immer das Gleiche‘ ist. Übrig bleiben nur EXISTENZ und BEWUSSTSEIN.

Wie ist die Beziehung zwischen EXISTENZ und BEWUSSTSEIN und auf welche Weise können sie einzeln oder gemeinsam zu dem bei­tragen, was Cézanne als das beschreibt, was immer das Gleiche ist‘?

Natur erscheint für uns in Formen und Konzepten. Form sind die Rohdaten der Sinneswahrnehmungen und Konzepte sind die Eti­ketten oder Interpretationen, die der Verstand mit seinen konzep­tualisierenden Kräften erstellt.

In unserer Erfahrung eines Objekts oder der Natur gibt es auch ein Element, das ist. Natur hat EXISTENZ, REALITÄT oder SEIN. Sie ist.

Auch wenn die Erscheinungen sich ständig verändern – deren EXISTENZ oder REALITÄT ändert sich nicht von Erscheinung zu Er­scheinung.

Diese EXISTENZ ist keine intellektuelle Theorie. Auch wenn sie nicht als Objekt wahrgenommen werden kann, so wird sie doch in jeder Erfahrung, die entsteht, zum Ausdruck gebracht und erfahren.

Cézanne nennt diese EXISTENZ oder dieses SEIN, das immer gegen­wärtig ist und doch nie erscheint, ‚Ewigkeit‘.

Nachdem wir ,das, was erscheint‘ als Quelle der EWIGKEIT der Na­tur verworfen haben, ist deren einzig mögliche andere Quelle ent­weder EXISTENZ, SEIN, die IST-HEIT der Dinge oder BEWUSSTSEIN.

EXISTENZ oder SEIN ist in jeder Erfahrung eines Objekts gegen­wärtig und weder verändern sie sich, noch verschwinden sie, wenn Formen und Konzepte sich verändern und verschwinden. Genau so, wie Wasser nicht aufhört, Wasser zu sein, wenn eine Welle ver­schwindet.

Jede Wahrnehmung hat eine REALITÄT, auch wenn die Wahrneh­mung selbst flüchtig und substanzlos ist und jeden Moment ver­schwindet. Diese REALITÄT hat Bestand von einer Erscheinung zur nächsten.

Sie ist die Grundlage oder der Träger der Erscheinung. Die Erschei­nung mag eine Illusion sein, aber die Illusion selbst ist real. Es gibt eine Illusion. Sie hat REALITÄT.
Die REALITÄT jeder Erfahrung ist nicht in der Erscheinung ver­steckt, sondern wird durch die Erscheinung zum Ausdruck ge­bracht.

Erforschen wir die Natur einer beliebigen Erfahrung genau, so stel­len wir fest, dass diese REALITÄT ihre Substanz ist. Sie ist der Inhalt der Erscheinung.
Tatsächlich wird immer nur REALITÄT erfahren.

Bevor dies offensichtlich wird, sehen wir nur die Erscheinungen. Nachdem es offensichtlich geworden ist, sehen wir gleichzeitig die Erscheinungen und die REALITÄT.
Wir sehen nichts Neues. Wir sehen auf eine neue Art.

Wir könnten zum Beispiel ein Seil mit einer Schlange verwechseln. Die Erscheinung, die Form und die Vorstellung der vermeintlichen Schlange beschreiben nicht die REALITÄT des Seils.

Aber die REALITÄT des Seils ist die Substanz der Schlange und wird durch die Schlange zum Ausdruck gebracht. Es gibt in unserer Er­fahrung der Schlange etwas, was real ist. Es ist das Seil.

Das Seil wird nicht durch die Schlange versteckt. Tatsächlich sehen wir immer nur das Seil. Das, was als Schlange erscheint, ist Seil.
Die Erfahrung des Erscheinens der Schlange ist die Erfahrung des Seils, aber es wird nicht als solches erkannt. Angst vor der Schlange ist die natürliche Reaktion auf diesen Man­gel an Klarheit und sie verschwindet sofort, wenn die REALITÄT der Schlange gesehen wird. Die Schlange kann nicht ohne das Seil erscheinen. Das Seil ist die wahre Substanz, die REALITÄT der Erscheinung der Schlange. Ohne das Seil gäbe es keine Schlange, aber ohne die Schlange, die nie wirklich existierte, gibt es immer noch ein Seil.

Also wissen wir, dass Natur real ist, dass da etwas gegenwärtig ist, dass sie REALITÄT besitzt, auch wenn alles, was uns erscheint, subs­tanzlos und flüchtig ist.
Was auch immer real ist, hat per Definition Bestand. Von etwas, was nicht gegenwärtig ist, kann man nicht sagen, dass es real sei. Nur von dem, was wahrhaft gegenwärtig ist, kann man sagen, dass es real ist, REALITÄT besitzt.

Jedes Mal, wenn wir aus einem Traum erwachen, erfahren wir dies sehr lebhaft. Die Erscheinung des Traums schien sehr real zu sein, aber beim Aufwachen entdecken wir, dass sie nur eine flüchtige Er­scheinung im BEWUSSTSEIN war.

Der Tiger in unserem Traum scheint real zu sein, aber beim Aufwa­chen entdecken wir, dass er aus Geist bestand und Geist beinhaltet einfach Erscheinungen im BEWUSSTSEIN.

BEWUSSTSEIN ist die REALITÄT des Geistes. Als ‚Tiger‘ ist der Tiger im Traum nicht real, als BEWUSSTSEIN ist er real.
Ist der Tiger gegenwärtig, so besitzt er eine REALITÄT. Die REALI­TÄT des Tigers ist BEWUSSTSEIN und BEWUSSTSEIN ist seine Grund­lage, seine Substanz und sein Zeuge.

BEWUSSTSEIN wird durch den Tiger nicht verschleiert. Es ist im Ti­ger offensichtlich. Es weiß um sich selbst in der Erscheinung des Tigers und durch die Erscheinung des Tigers.

Unsere objektive Erfahrung im Wachzustand umfasst ebenso flüch­tige Erscheinungen im BEWUSSTSEIN. Daher gibt es bei genauer Analyse keinen Unterschied zwischen den beiden Zuständen des Wachens und des Träumens.

Das Substrat und die Substanz von Erscheinungen des Wach- und des Traumzustands, ihre REALITÄT, ist identisch und bleibt zurück, wenn die Erscheinungen verschwunden sind.

Die Erscheinung besteht nur aus der ihr zugrundeliegenden REALI­TÄT. Das Bild im Spiegel besteht nur aus Spiegel.

Diese REALITÄT ist immer gegenwärtig. Ihre Abwesenheit wurde von uns nie erfahren. Und wir haben nie etwas Anderes erfahren als diese REALITÄT.
Veränderung gibt es nur in der Erscheinung. Es existiert nur REALI­TÄT, die die Gestalt von dem hier annimmt, von dem hier und von dem hier …

Wie kann etwas, was real ist, unreal werden? Wo geht seine REALI­TÄT dann hin?

Wie kann etwas, dessen Natur, dessen Substanz REALITÄT ist, zu etwas anderem, zu Nicht-Realität werden?

Was auch immer in unserer Erfahrung der Natur, ja sogar jedes Objekts, real ist, was auch immer Bestand hat, das, was wahrhaft erfahren wird, ist unleugbar in jeder Erfahrung gegenwärtig.

REALITÄT ist die Substanz jeder Erfahrung. Sie ist die EXISTENZ, die ‚SEIN-HEIT‘, die ‚IST- HEIT‘, die SO-HEIT‘, das ,PURE WISSEN‘, das ,PURE ERFAHREN‘ in jeder Erfahrung.

Und selbst wenn keine Objektivität gegenwärtig ist, wie im Tief­schlaf oder in den Intervallen zwischen Erscheinungen, verbleibt diese REALITÄT so, wie sie immer ist.
Diese formlose REALITÄT wird, je nach unserem Blickwinkel, durch Erscheinungen verborgen oder aufgedeckt.

Da sie keine Form hat, kann man nicht sagen, dass sie Begrenzun­gen habe, denn jede Begrenzung müsste eine Form haben, müsste durch den Geist oder die Sinne erfahren werden, um eine objektive Erfahrung zu sein.

Gleichzeitig ist das, was hier beschrieben wird, eine vertraute Tat­sache unserer Erfahrung. Jetzt, in dieser Erfahrung, gibt es etwas Reales.
Was ist in unserer Erfahrung unleugbar und beständig gegenwärtig und hat doch keine äußeren Qualitäten?

Die einzige Antwort auf diese Frage, basierend auf unserer direk­ten Erfahrung, ist BEWUSSTSEIN. BEWUSSTSEIN wird während je­der Erscheinung unleugbar erfahren und hat doch keine objektiven Qualitäten.

Daher sind sowohl BEWUSSTSEIN als auch REALITÄT oder EXISTENZ in jeder Erfahrung gegenwärtig.
In welcher Beziehung stehen BEWUSSTSEIN und EXISTENZ?

Wären die beiden unterschiedlich, so müsste es eine Grenze, eine Grenzlinie zwischen ihnen geben. Erfahren wir eine derartige Grenze?
Nein! Wir haben bereits aus der uns vertrauten Erfahrung der bei­den anerkannt, dass BEWUSSTSEIN und EXISTENZ unleugbar gegen­wärtig sind und dass sie beide keine objektiven, sie beschreibenden Qualitäten besitzen.

Wenn sie keine objektiven Qualitäten besitzen, wie kann man dann sagen, dass sie unterschiedlich oder voneinander getrennt seien? Dies ist nicht möglich!
Daher sind sie, ob wir es bemerken oder nicht, in unserer tatsäch­lichen Erfahrung eins. Sie sind BEWUSSTSEIN/ EXISTENZ und nicht BEWUSSTSEIN und EXISTENZ.
Somit ist unsere direkte und vertraute Erfahrung, dass BEWUSST­SEIN und EXISTENZ eins sind.

Es ist unsere direkte Erfahrung, dass wir, BEWUSSTSEIN, EXISTENZ sind, dass wir das sind, was das Universum ist.
In der christlichen Tradition wird dieses Verständnis ausgedrückt in dem Satz: „Ich und mein Vater sind eins.“ ‚ICH‘ ist BEWUSST­SEIN, das, was ,ICH‘ wahrlich bin. Der ‚Vater‘ ist die REALITÄT des Universums, Gott.

Die Aussage „Ich und mein Vater sind eins“ ist ein Ausdruck der fundamentalen Einheit von BEWUSSTSEIN und REALITÄT, dem SELBST aller Dinge.

Die Tatsache, dass in dieser Tradition ‚ICH‘ in den meisten Fällen durchgängig so interpretiert wurde, dass es sich auf einen einzelnen Körper/Geist bezieht, und dass ‚VATER‘ dementsprechend jahr­hundertelang in eine unendliche Entfernung im ‚Außen‘ projiziert wurde, sollte die Bedeutung der ursprünglichen Aussage nicht ver­schleiern.

BEWUSSTSEIN ist während der Erscheinung einer jeden Wahrneh­mung gegenwärtig, und wenn der objektive Teil der Wahrnehmung verschwindet, verbleibt es, wie es immer ist.

Mit dem BEWUSSTSEIN geschieht nichts, wenn eine Wahrnehmung erscheint oder verschwindet. Es nimmt die Gestalt der Wahrneh­mung an, bleibt aber es selbst, so, wie ein Spiegel die Erscheinung eines Objekts annimmt und doch immer genauso bleibt, wie er ist.

Wir haben keine Erfahrung vom Erscheinen oder Verschwinden des BEWUSSTSEINS, trotz des Erscheinens und Verschwindens der Wahrnehmungen.
Unsere Erfahrung ist, dass BEWUSSTSEIN Bestand hat, dass es per­manent ist. Ebenso hat REALITÄT, EXISTENZ, Bestand.
Diese Aussage ergibt natürlich keinen Sinn, denn sie impliziert, dass BEWUSSTSEIN und EXISTENZ zeitliche Dauer hätten.

Wenn Wahrnehmung verschwindet, verschwindet auch Zeit, denn Zeit ist die Dauer zwischen zwei Wahrnehmungen. Tatsächlich ist Zeit noch nicht einmal während der Gegenwart einer Wahrneh­mung präsent, nur die Illusion von Zeit ist präsent. Während des sogenannten Intervalls zwischen zwei Wahrnehmungen ist nicht einmal die Illusion von Zeit gegenwärtig.

Also haben BEWUSSTSEIN und REALITÄT keinen fortwährenden Be­stand in der Zeit. Sie sind allgegenwärtig. Immer jetzt. Sie sind ewig. Zeit hingegen scheint ab und zu im BEWUSSTSEIN zu existieren.

EWIGKEIT ist der Begriff, den Cézanne verwendete, um sich auf die­se allgegenwärtige REALITÄT zu beziehen, und er sah den Sinn von Kunst darin, uns von dieser EWIGKEIT ,einen Geschmack zu geben‘.

Er spürte, dass Kunst uns zu REALITÄT führen sollte, uns aufzei­gen sollte, was real ist, das hervorrufen sollte, was substanziell ist. Sie sollte uns von der Erscheinung zur REALITÄT führen. Sie sollte auf die Essenz der Dinge verweisen. Und sie tut dies, indem sie die substanzlosen, flüchtigen Erscheinungen der Sinneswahrnehmun­gen verwendet, die ,Elemente all ihrer (der Natur) Veränderungen‘.

Er sagte nicht, dass Kunst REALITÄT genauer abbilde, als Literatur sie beschreibt, sondern dass sie uns einen Geschmack von REALITÄT vermittele. Sie führt uns zur direkten Erfahrung, zu dem vertrauten Wissen, dass BEWUSSTSEIN, das, was wir wahrhaft sind, die Subs­tanz von REALITÄT ist, dass es nur eins gibt, nur SEIN.
William Blake äußert das gleiche Verständnis, wenn er sagt: „Je­der Vogel, der die Lüfte durchschneidet, ist eine immense Welt des Entzückens, verschlossen durch die fünf Sinne.“

Blake benutzt den Vogel als Symbol für die Natur. Er sagt, dass die REALITÄT des Vogels ,eine immense Welt des Entzückens‘ sei, aber dass seine REALITÄT von den Sinnen verschleiert werde. Durch die Verwendung von ‚verschlossen‘ verweist er darauf, dass die Sinne irgendwie REALITÄT limitieren. Sie bestimmen die Erscheinung von REALITÄT.

Es ist wichtig, dass Blake die REALITÄT der Natur, die REALITÄT eines Objekts als ‚entzückend‘ beschreibt. Cézanne sagt ebenfalls, dass die REALITÄT der Natur, das, was er ,EWIGKEIT‘ nennt, als ‚er­regend‘ erfahren werde.

Sowohl Blake als auch Cézanne verweisen darauf, dass der EINS­HEIT von BEWUSSTSEIN und REALITÄT die Erfahrung von ‚Entzü­cken‘ innewohnt, dass die Erfahrung einen ‚Nervenkitzel‘ darstellt.

Dies stimmt mit der indischen Philosophie überein, die jede Erfah­rung als einen Ausdruck von ,nama rupa Sat Chit Ananda‘ beschreibt.

,Nama‘bedeutet ‚Name‘. Dies ist der Teil der Erfahrung, der vom Denken beigetragen oder durch das Denken bestimmt wird. Man könnte es das Konzept oder das Etikett nennen, das der Geist ver­wendet, um der Erfahrung einen Rahmen zu geben. Er sagt: „Dies ist ein Stuhl.“ Das Konzept ‚Stuhl‘ ist ,nama‘.

,Rupa‘ bedeutet ‚Form‘. Dies ist der Teil der Erfahrung, der durch die Sinne beigetragen wird. Jeder Sinn hat sein korrespondierendes Objekt in der Welt. Der visuelle Sinn hat sein Gegenstück in den Objekten des Sehens. Der auditive Sinn hat sein Gegenstück in den Objekten des Hörens, den Geräuschen … Die Sinne bestimmen die Art und Weise, wie uns REALITÄT erscheint, und sie tun dies gemäß ihrer eigenen Charakteristik.

,Nama‘ und , rupa‘ bestimmen gemeinsam die Erscheinung der Na­tur oder eines Objekts.

Möchten wir die wahre Natur von Erfahrung verstehen, unabhän­gig von den speziellen Charakteristika, die Geist und Sinne zu ihr beitragen, so müssen wir unsere Erfahrung von jenem Teil ihrer selbst entkleiden, der durch den Wahrnehmungsapparat, durch die Wahrnehmungsinstrumente, also durch den Geist und die Sinne, beigetragen wird.

Wie wir schon bei Cézannes Aussage gesehen haben, bleibt – wenn wir das, was erscheint, wegnehmen, also den objektiven Aspekt jeder Erfahrung – die unleugbare und doch unsichtbare Erfahrung von sowohl EXISTENZ oder SEIN als auch von BEWUSSTSEIN.

Entfernen wir also beim Erforschen der wahren Natur von Erfah­rung zuerst den Schleier aus Geist und Sinnen, also Name und Form, ,nama‘ und ,rupa‘, in den REALITÄT ‚eingeschlossen‘, gehüllt ist.

Es verbleibt uns die Gegenwart von zwei unleugbaren Tatsachen der Erfahrung, EXISTENZ und BEWUSSTSEIN, die in der indischen Philosophie als ,sat‘ und ,chit‘ bezeichnet werden.

In jeder Erfahrung gibt es etwas, was erfahren wird. Dieses Etwas, was auch immer es sei, ist real. Es hat SEIN. Das ist ,sat‘.

In jeder Erfahrung gibt es auch etwas, was erfährt. Es gibt ,Ich‘, BE­WUSSTSEIN. Dieses Etwas, was immer es auch sei, ist gegenwärtig. Es ist bewusst. Das ist ,chit‘.
Aus dem Blickwinkel des scheinbar separaten Wesens formulieren wir unsere Erfahrung, indem wir sagen: „Ich sehe das.“ Das heißt, ,Ich‘ (BEWUSSTSEIN) sehe ‚das‘ (das Objekt oder die Welt). ,chit‘ erfährt ,sat‘ . Sie werden als zwei Dinge erachtet, die durch einen Akt des Wissens miteinander verbunden sind.

Wenn wir jedoch unsere Erfahrung sorgfältig untersuchen, gelan­gen wir zu dem Verständnis, dass BEWUSSTSEIN und REALITÄT eins sind, dass es keine Trennung zwischen ,Ich‘ und ‚anderes‘, zwi­schen ‚mir‘ und ‚dir‘, zwischen dem ,Ich‘ und der ‚Welt‘, zwischen ,chit‘ und ,sat‘ gibt.

Das Erfahren dieser Erkenntnis wird in Indien als ,Ananda‘ be­zeichnet, was traditionell mit ,Verzücktsein‘ übersetzt wird. Die­se Übersetzung kann aber irreführend sein. Sie vermittelt nämlich den Anschein, dass die Erkenntnis der EINSHEIT als etwas betrach­tet wird, was von einem seltenen, fremdartigen Zustand begleitet ist. Und dies wiederum setzt die Suche nach einer außergewöhnli­chen Erfahrung in Gang, nach etwas, was nicht nur einfach dies ist.

,Ananda‘ wird vielleicht besser mit ,RUHE‘; FRIEDE‘; ‚GLÜCK‘ oder einfach ‚ERFÜLLUNG‘ übersetzt. Tatsächlich ist es sehr gewöhnlich. Man könnte es als die Abwesenheit von Aufregung, von Unruhe oder als die Leichtigkeit des SEINS beschreiben.

FRIEDE und GLÜCK werden meist als Zustand von Körper/Geist an­gesehen, der seinen Grund darin hat, dass man ein gewünschtes Objekt erlangt hat. In der Formulierung aus der indischen Traditi­on jedoch werden FRIEDE und GLÜCK als unserer wahren Natur in­newohnend verstanden. Dies passt zu Cézanne und Blake, die die­selbe Erfahrung als ‚Erregung‘ und als eine ,Welt des Entzückens‘ beschrieben haben.

Wenn wir den Teil unserer Erfahrung abtrennen, der durch Geist und Sinne, die Wahrnehmungsinstrumente, auferlegt wird, so wer­den BEWUSSTSEIN und REALITÄT als eins erkannt. Die ihnen inne­wohnende Einheit wird enthüllt, offenbar. Sie wird nicht erschaffen. FRIEDE oder GLÜCK ist ein anderer Name für diese Erfahrung. Sie ist sehr natürlich.

Obwohl letztlich alle Objekte aus dieser Erfahrung stammen und daher Ausdruck von ihr sind, gibt es eine bestimmte Kategorie von Objekten, die man heilige Kunstwerke nennen könnte, in denen die Präsenz dieses Verständnisses aufleuchtet und die daher die Kraft haben, dies direkt zu vermitteln oder zu kommunizieren.
Im klassischen Griechenland wurde diese Erfahrung ‚SCHÖNHEIT‘ genannt.

SCHÖNHEIT ist kein Attribut eines Objekts. Sie wohnt der funda­mentalen Natur der Erfahrung inne. Es ist die Erfahrung, zu erken­nen, dass BEWUSSTSEIN und REALITÄT eins sind.

Solche heiligen Kunstwerke wecken eine tiefe Erinnerung in uns. In ihnen erkennen wir etwas. Und in dieser Erkenntnis erkennt BEWUSSTSEIN sich selbst. BEWUSSTSEIN erinnert sich an seine eige­ne REALITÄT, an sein eigenes SEIN.

Es schaut in den Spiegel der Erfahrung und sieht sich selbst. Es er­fährt seine eigene REALITÄT.
Solche Kunstwerke vermitteln uns den ,Geschmack der Ewigkeit‘.

Spira, Rupert: Bewusstsein ist alles. Über die Natur unserer Erfahrung, Kirchzarten 2011, 2004-221

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