Otto Mueller 1874 – 1930
Otto Mueller creator QS:P170,Q317041, Otto Mueller – Zwei Schwestern, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Als ich an Gemälde von Künstlern dachte, die in meiner neuen Serie „Grüne Qudratbilder“ passen könnten, fielen mir zuerst Paula Modersohn-Becker und Otto Mueller ein. Otto Mueller war mir als „Zigeuner-Müller“ bekannt, der selbst mit den Zigeunern gelebt haben sollte und in dieser naturverbundenen Gesellschaft seine Modelle gefunden hatte. Er malte vor allem Frauen und Mädchen, aber auch Liebespaar, meistens nackt oder leicht bekleidet, aber in meiner Erinnerung nicht sexuell aufreizend. Meistens sehr natürlich in der Naturlandschaft. Ich habe dann aber ein Bild ausgesucht, dass eigentlich nicht so ganz typisch für ihn ist, dass mir aber sehr gefiel. Ich habe später dann ein Bild, wohl mit den gleichen Schwestern in vielleicht typischer Art gemalt, gefunden.
Otto Mueller artist QS:P170,Q317041, Otto Mueller – Zwei Halbakte (1), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Das von mir ausgewählte Bild ist ganz schlicht. Nur die beiden schlanken Frauen in ganz einfachen, einfarbigen Kleidern, ohne jeden Schmuck. Und dennoch machen die beiden Frauen einen eher vornehmen Eindruck. Sie wirken selbstbewusst, in sich gekehrt, sich zugeneigt. Sie scheinen ein inniges Verhältnis zu einander zu haben. Das wird auch durch dadurch betont, dass die jünger wirkende Schwester die linke Hand um die Schulter der anderen gelegt hat. Die „Ältere“ schaut mehr nach außen und die „Jüngere“ kann sich auf sie stützen. Dadurch, dass die Brüste leicht durch die Kleider scheinen, wirken die die beiden Frauen erotisch. Auch der Hintergrund ist einfacher, als normalerweise auf den Bildern Otto Muellers. Das Türkiesgrün erzeugt eine offene Weite. Am eindruckvollsten ist für mich die Würde der beiden Frauen und ihre unaufdringliche innige Beziehung.
Otto Mueller creator QS:P170,Q317041 , Otto Mueller – Selbstbildnis – 11242 – Bavarian State Painting Collections, CC BY-SA 4.0
Otto Mueller (* 16. Oktober 1874 in Liebau, Landkreis Landeshut, Provinz Schlesien; † 24. September 1930 in Obernigk, Landkreis Trebnitz) war ein deutscher Maler und Lithograf des Expressionismus. Er gehörte der Künstlergruppe Brücke an und gilt heute als einer der bedeutendsten Expressionisten.
Otto Mueller wurde als Sohn eines Leutnants und späteren Steuerberaters im damals preußischen Schlesien geboren. Seine Jugendjahre verbrachte er in Görlitz. Das Gymnasium musste er ohne Abschluss verlassen. Von 1890 bis 1894 absolvierte er auf Wunsch seines Vaters eine Lithografenlehre, daran schloss sich bis 1896 ein Studium an der Kunstakademie von Dresden an, für das er eine Sondergenehmigung erhalten hatte, wo es jedoch bald zu Differenzen mit seinem Lehrer Hermann Freye kam, da er dessen Korrekturen nicht dulden wollte.[1] Ab 1898 setzte er seine Studien an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München fort, konnte sie jedoch 1899 nicht fortführen, da ihm der Leiter der Akademie, Franz von Stuck die Genehmigung versagte.
1905 heiratete er Maria („Maschka“) Mayerhofer (oder Meyerhofer), die ihm oft Modell stand und die seine Vertraute auch nach der Trennung und zwei weiteren von Mueller geschlossenen Ehen blieb.
1908 zog er nach Berlin. Sein Vorbild wurden Plastiken von Wilhelm Lehmbruck, mit dem ihn eine Freundschaft verband; seit 1908 malte er die schlanken Mädchengestalten, die für ihn charakteristisch sind wie auch die Leimfarben, die er mit Vorliebe für seine Werke nutzte. Er versuchte vergeblich, sich der Berliner Secession anzuschließen, und 1910 gründete er mit anderen abgewiesenen Künstlern die Gruppe Neue Secession, die im Mai eine Ausstellung zeigte unter dem Motto „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“. Darüber kam er mit Mitgliedern der Brücke in Kontakt und arbeitete von 1910 bis zu ihrer Auflösung im Mai 1913 in dieser Künstlergemeinschaft mit. Der in seinem Stil den anderen Brücke-Künstlern sehr ähnliche Mueller bevorzugte eine gedämpfte Farbgebung von lyrisch-dekorativer Wirkung.
1915 wurde er zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen und nahm als Soldat in der Infanterie an Kämpfen in Frankreich und Russland teil. 1917 zog er sich eine Lungenentzündung zu, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Seit 1919 war er Professor an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Er lehnte jede bürgerliche Anpassung ab und verkehrte im Kreis der „Breslauer Künstlerbohème“. Seine Frau Maschka ließ sich 1921 von ihm scheiden und kehrte nach Berlin zurück.
Seine Zigeuner-Mappe mit neun farbigen Lithografien von 1927 bildete den Höhepunkt seines Schaffens. Er hatte Spalato und Sarajevo besucht, wie seine Schwester Emmy berichtete, wo er von Zigeunern aufgenommen wurde und unter ihnen lebte wie einer der ihren. Auch die Bilder, die in Muellers letzten drei Lebensjahren von 1927 bis 1930 entstanden, zeugen von Muellers künstlerisch ausgeprägtester Phase.
1930 starb Mueller mit 55 Jahren in der Lungenklinik Obernigk bei Breslau an Lungentuberkulose.
Im Jahr 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 357 seiner Werke aus deutschen Museen, da seine Bilder als Entartete Kunst galten. 13 von ihnen wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert.
Das zentrale Thema in Muellers Werken ist die Einheit von Mensch und Natur, die er in zahlreichen Aktdarstellungen in Landschaften auszudrücken versucht. In diesen Bildern stellt Mueller immer wieder Szenen aus dem Zigeunerleben dar. (Wikipedia)
Eva, braun
Otto Mueller / Text entnommen aus der Zeitschrift „DER SPIEGEL Ausgabe 51 von 1963“
Er hatte blauschwarzes Haar und gelbe Hautfarbe, reiste Jahr um Jahr zu Zigeunervölkern auf den Balkan, zog mit ihnen durchs Land, trug ein Zigeuner-Amulett auf der Brust und gewöhnte sich sogar an die Lieblingsspeise der Zigeuner, den Speck, „obwohl er vorher nie Speck essen konnte“, wie seine Schwester weiß.
Otto Mueller malte Zigeunerkinder, Zigeunermädchen, Zigeunerfrauen, Zigeunerpaare, Zigeunerwagen, eine Zigeuner-Madonna und Adam und Eva als Zigeuner. Er heiratete ein Mädchen, das ihm als Modell diente, weil es wie eine Zigeunerin aussah. In Gerhart Hauptmanns Epos „Till Eulenspiegel“ ist er als „Halbzigeuner“ porträtiert, im „Großen Brockhaus“ als Halbzigeuner bezeichnet. Fast bei allen Kritikern, die ihn nennen, wird seine Begabung als Folge der Polarität seines Elternhauses erklärt: Vater preußischer Offizier, Mutter Zigeunerin.
Aber er war mit Sicherheit weder Zigeuner noch Halbzigeuner. Zu diesem Resultat jedenfalls kommt die erste ausführliche Otto-Mueller-Biographie, ‚die der Verleger Lothar-Günther Buchheim, nach mehr als vierjähriger Vorarbeit, in letzter Minute auf die Weihnachtstische der deutschen Buchhandlungen legte*. Dass die braune Hautfarbe von Zigeunermädchen für den Maler Otto Mueller einfach verlockender gewesen sein könnte „als die Marzipanfarbe der üblichen Aktmodelle“, schreibt Buchheim, „dieser Gedanke scheint den meisten Kunstausdeutern nicht gekommen zu sein“.
Otto Muellers Ahnenkette lückenlos rekonstruieren konnte allerdings auch Buchheim nicht. Der Vater des Malers, zuerst aktiver Offizier, später Beamter, stammt aus einer deutschen Professoren – Familie, die zweifellos nichts Zigeunerhaftes an sich hatte. Die Mutter des Malers ist als Kind von einer schlesischen Gutsbesitzerin, einer Tante Gerhart Hauptmanns, adoptiert worden, und ihre Vorfahren sind nicht mehr alle zu ermitteln. Dass die Mutter, also des Malers Großmutter mütterlicherseits, keine Zigeunerin gewesen ist, lässt sich noch nachweisen, über den Großvater mütterlicherseits aber ist nichts mehr festzustellen.
Die Vorliebe des Malers Otto Mueller (1874 bis 1930), der zu den ersten und bestimmenden Vertretern des Expressionismus gezählt wird, für die Zigeuner ist also eine Wahlverwandtschaft, die sich künstlerisch sofort bezahlt machte, finanziell auf dem Kunstmarkt erst in der jüngsten Zeit. Otto Muellers „Zigeunermappe“, ein in geringer Auflage verbreiteter Zyklus von neun Farbgraphiken, wurde 1956 für 17 600 Mark, 1958 für 18 100 Mark, 1960 für nicht weniger als 40 000 Mark auf deutschen Auktionen zugeschlagen.
Dass trotz eines so hohen Kurswertes der Produktion erst in diesem Winter, 33 Jahre nach dem Tode des Malers, eine erste Biographie vorgelegt wird, hat vielerlei Gründe. Eine der Hauptursachen ist, dass Otto Mueller sich so gut wie nie über seine Arbeit, kaum über sich selbst geäußert hat. Er formulierte keine Theorie, er datierte fast keine seiner Graphiken. Er machte keine Experimente, seine letzten Bilder ähneln seinen ersten.
„Es gibt über ihn keine Anekdoten“, schreibt Biograph Buchheim mit einem Unterton, von Bedauern, „keine Histörchen, keine spektakulären Sensationen – nichts.“ Otto Mueller wusste ziemlich von Anfang an, was er wollte – nämlich: malen – und wie er es wollte, und dabei blieb er bis zum Lebensende.
Natürlich geht es bei solcher Entschiedenheit nicht ohne Konflikte mit der Umwelt ab. Die Schule regulär zu absolvieren, misslang, und Vater Mueller, dessen ältester Sohn früh gestorben war, haderte drastisch: „Warum musste der kluge Junge sterben und der dumme am Leben bleiben?“ Die Münchner Akademie verließ Otto Mueller sofort wieder, als der damals wie ein Malerfürst geschätzte Franz von Stuck auch nur den Versuch unternahm, eine Schülerarbeit Muellers zu korrigieren.
Im übrigen aber war er zum Revolutionär nicht veranlagt und wünschte sich auch nicht, einer zu sein. Zwar schloss er sich der ersten und ältesten Malergruppe des deutschen Expressionismus an, der Dresdner „Künstlergemeinschaft Brücke“, zu der Ernst-Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, zeitweilig Emil Nolde gehörten – einige von ihnen malten eine Zeitlang in einem gemeinsamen, programmatischen Stil. Otto Mueller tat das nicht.
In seinem Lebenslauf fehlt sogar, was sonst Künstler-Biographien dramatisch macht: der Kampf um Durchbruch und Anerkennung. Während seines Studiums sorgten die Brüder Carl und Gerhart Hauptmann, Otto Muellers Adoptiv-Onkel, mit begütigenden Briefen an den Vater dafür, dass der monatliche Wechsel nicht ausblieb – und der Sohn, Unikum unter allen Kunststudenten der Welt, bat die Eltern, weniger Geld zu schicken.
Schon die ersten Bilder fanden noch vor dem Ersten Weltkrieg (zu für die damalige Zeit nennenswerten Preisen von 300 bis 500 Mark) prominente Käufer, unter ihnen der Dichter Eduard Stucken („Die weißen Götter“), der 1922 ermordete Politiker Walther Rathenau und natürlich Onkel Gerhart Hauptmann. Noch aus dem Felde – Otto Mueller war, trotz schwacher Lunge, 1916 als Armierungssoldat eingezogen worden – organisierte Mueller die Teilnahme seiner Bilder an Ausstellungen bis nach Zürich, er arbeitete weiter (nach Aktaufnahmen seiner ersten Frau) und bat im Übrigen um warme Handschuhe: „Wenn ich mir die Finger erfriere, ist der Schaden groß.“
1919 erhielt er eine Professur in Breslau, die ihm recht bald lästig wurde, weil er lieber auf Reisen gehen wollte – zu den Zigeunern auf dem Balkan. Seine erste Frau trennte sich von ihm, eine zweite Freundin konnte er nicht heiraten, weil deren strenggläubiger Vater, ein Jude, die Ehe mit einem Arier verbot. Die zweite Ehe, wiederum mit einem ausgesucht schönen Mädchen, missglückte, weil die erste Frau zeitweilig zu Otto Mueller zurückfand. Eine dritte Ehe, auch diese kirchlich, schloss der Maler noch auf dem Sterbebett, geordnete Verhältnisse gingen ihm über alles. Otto Mueller starb 1930 an Tuberkulose.
Er hinterließ ein Werk, dessen Ansehnlichkeit seiner Wertschätzung weniger beim Publikum, eher bei den Kunsttheoretikern im Wege war: Hunderte von nackten, gutgewachsenen Mädchen, die einzeln, zu zweien oder in Gruppen bis zu acht auf Wiesen sitzen, im Schilf stehen oder im Wasser, obendrein in natürlichen Farben, braune Haut in grünem Schilf, elegante Figuren in völlig ungenierten Posen.
Otto Mueller sah Pferde nicht blau, wie Franz Marc, und das Wasser nicht rot, wie Emil Nolde, er spaltete keine Köpfe, wie Picasso. Er malte seine braunhäutigen Zigeuner in einer modernen Manier, die in Wirklichkeit fünftausend Jahre alt war – in der Art ägyptischer Wandbilder, „mir vorbildlich“, wie er sagte, „auch für das rein Handwerkliche“.
Sein Künstler-Glaubenssatz hieß: „Es gibt auf der Welt überhaupt nichts Neues.“
Lothar-Günther Buchheim: „Otto Mueller. Buchheim Verlag, Feldafing; 312 Seiten mit 393 Abbildungen; 96 Mark.
Otto Mueller creator QS:P170,Q317041, Otto Mueller – Liebespaar, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
(Informationen zu seiner Biografie s. mein erstes Bild von ihm im Dunkelgrünen Rahmen: „Zwei Schwestern“)
Das Bild „Liebespaar“ ist im Original 80 x 105 cm und hängt heute in Leipzig. Es ist mit Leimfarben auf Rupfen gemalt.
Für mich ist dieses Bild sehr eindrucksvoll. Ein durchaus sehr erotisches Liebespaar und in keiner Weise pornorafisch. Der Mann und die Frau sind eng mit einander verbunden. Ihre Köpfe bilden eine innige Einheit und ihre Unterkörper scheinen ineinander über zu gehen. Ihre Körper bilden fast einen Kreis. Der nach vorne offen gezeigte nackte Körper der Frau ist voller Bereitschaftaft auf den Mann ausgerichtet, der sie mit dem linken Arm an seiner breiten Brust auffängt. Die Farben der Kleidung sind komplimentär aufeinander bezogen. Die Hose der Frau ist erdhaft gefärbt. Die Einheit von Mensch und Natur hat etwas Paradiesisches.