Einordnung meiner Bilder in die Kunstgeschichte
1. Einleitung
2. Zuordnung meiner Bilder zur „abstrakten“ Tradition
2.a Malewitsch: Aufbruch in eine neue Wirklichkeit
2.b Kandinsky: Die Bedeutung des Geistigen in der Kunst
2.c Mondrian: Die Suche nach der reinen Realität
2.d Der versperrte Weg zur Transzendenz
2.e Transzendenz als offene Weite
3. Zeitbezug meiner Bilder
1. Einleitung
Die folgenden Texte habe ich ursprünglich mit Blick auf meine „Weißen Quadratbilder“ verfasst. Meine Weißen Quadratbilder fügen mit dem weißen Rahmen den Bildern eine neue Dimension hinzu und sind durch die Ausrichtung auf eine zukünftige spiritueller ausgerichtete Gesellschaft besonders zukunftsweisend.
Die Ausrichtung auf eine zukünftig spiritueller ausgerichtete Gesellschaft, trifft aber auch auf die „Schwarzen Qudratbilder“ und die „Grünen Quadratbilder“ zu.
2. Zuordnung meiner Bilder zur „abstrakten“ Tradition
Meine „Weißen Quadratbilder“ und Bilder mit weißem Rahmen und weißem Bildgrund können der abstrakten Kunsttradition zugeordnet werden.
Die abstrakte Kunst der Moderne entstand zwischen Ende des 19. Jahrhunderts (Hölzel) und 1920 an verschiedenen Orten in Europa. Ich möchte von drei bedeutenden Wegbereitern und Vertretern der abstrakten/nicht auf einen Gegenstand bezogenen Kunst ausgehen und zu meinen Auffassungen in Bezug setzen.
2.a Malewitsch: Aufbruch in eine neue Wirklichkeit
Der russische Maler Malewitsch (1878 – 1935) stellte 1915 in St. Petersburg sein Bild „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ aus. Es ist die Abkehr in der Malerei von allen Beziehungen zu den Dingen. Er sagt dazu: „Als ich 1913 den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien, stellte ich ein Gemälde aus, das nicht mehr war als ein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grund…Es war kein leeres Quadrat, das ich ausstellte, sondern vielmehr die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.
Das Quadrat = Empfindung, Das weiße Feld = die Leere hinter dem Quadrat.“
Er nannte das „Schwarze Quadrat auf weißem Grund“ selbst die „ungerahmte Ikone seiner Zeit“ und einen Nullpunkt für eine neue Kunst. Entsprechend seiner Einschätzung als Ikone hängte er das Bild in der Ausstellung in die östliche Ecke des Raumes, an die Stelle, an der traditionsgemäß in Russland die Ikonen stehen. Er wollte eine neue radikale Kunst, die die Ikonen ersetzen konnte und über alle kulturellen und ethnischen Grenzen hinweg verständlich sein sollte. Die neuen Werke sollten den Maler während es Malens und den späteren Beschauer in einen höheren Bewusstseinszustand versetzen. Nullpunkt soll heißen, dass er was ganz Neues aufbauen will, das sich nicht von etwas ableitet.
Seine neue Kunst nannte er Suprematismus (supremus lat. der Höchste). Es geht ihm um die „Suprematie der reinen Empfindung in der Kunst“ 1919 sagt er dazu: „Die Flächenform, die ein Quadrat gebildet hat, war die Begründerin des Suprematismus, des neuen Farbenrealismus als gegenstandslosem Schaffen.“ Es geht ihm um das Primat der Farbe gegenüber dem Gegenstand und um die elementare Form des Quadrats. Beide entsprechen dem reinen Empfinden des Künstlers.
(Seine schwarze Fläche war mit anderen Formen untermalt. Vielleicht verdeckt das schwarze Quadrat das Farbige, das aus dieser Gegenstandslosigkeit in seinen folgenden Bildern hervorgeht.)
1919 ist er dann nach eigenen Aussagen durch die Farbe hindurch zum Weiß vorgedrungen: „Im Augenblick verläuft der Weg des Menschen durch den Raum, der Suprematismus ist der Signalmast der Farbe in ihrer unendlichen Vielfalt. Die blaue Farbe des Himmels ist durch das suprematistische System überwunden und durchbrochen worden und ist in das Weiß als die wirkliche, reale Verkörperung der Unendlichkeit eingegangen, weshalb es vom farbigen Hintergrund des Himmels befreit ist.“ Und im gleichen Text: „Ich habe den blauen Lampenschirm der Farbenbegrenzungen durchbrochen und bin in das Weiß gelang; schwebt mir nach, Fliegergenossen, in die Tiefe; ich habe die Signalmasten des Suprematismus errichtet.
Ich habe das Unterfutter des farbigen Himmels überwunden, habe es heruntergerissen und die Farben in den aus ihm gemachten Sack gesteckt und ihn zugeknotet. Schwebt! Die weiße Tiefe, die freie Unendlichkeit liegt vor Euch.“
Seine oft nicht sehr gut verständlichen bildhaften und oft messianisch wirkenden theoretischen Ausführungen zeigen, dass er mit seinen Bildern ein Modell der Wirklichkeit schaffen wollte, das vom bisherigen Verständnis der Wirklichkeit her nicht einfach zu verstehen war. In einer Antwort auf seine Kritiker schrieb er: „Meine Philosophie lautet: Vernichtung der Städte und Dörfer alle 50 Jahre, Vertreibung der Natur aus der Kunst, Vernichtung von Liebe und Aufrichtigkeit in der Kunst, um nichts in der Welt aber Abtötung des lebendigen Quells im Menschen.“
Seine Kunst ist auf die ganze Wirklichkeit bezogen. Wie die alte Kunst das Weltbild und das Handeln des Menschen bestimmt haben, so soll auch die neue Kunst den Menschen auf eine neue Gesellschaft hin bestimmen. Er wandte sich daher intensiv der Architektur und dem Kunsthandwerk zu, in denen alle Formen ihren Ausgangspunkt vom Quadrat nahmen.
2.b Kandinsky: Die Bedeutung des Geistigen in der Kunst
Malewitisch trat mit seinem „Schwarzen Quadrat auf weißen Grund“ wie mit einem Fanal in die Kunstgeschichte ein und propagierte eine gegenstandslose Kunst. Für Kandinsky (1866 – 1944) war es ein längerer und mühsamer Weg, bis sich in seiner Malerei die Abstraktion und Gegenstandslosigkeit durchgesetzt hatte. Zwei Schlüsselerlebnisse bestimmten diesen Weg. Kandinsky, der Jura und Volkswirtschaft studierte und promoviert hatte, sah mit 30 Jahren in Moskau das Gemälde „Heuhaufen“ von Monet. Es faszinierte und ärgerte ihn gleichzeitig. Ohne den Bildtitel erkannte er nämlich den Heuhafen nicht: „Ich fand auch, dass der Maler kein Recht hat, so undeutlich zu malen. Ich empfand dumpf, dass der Gegenstand in diesem Bild fehlt.“ Andererseits ahne er, dass es eine Kunst geben müsste, die ohne Gegenstand auskam und mehr zeigen könnte, als die äußere Wirklichkeit. Dieses Erlebnis bestimmte sein weiteres Leben. Er gab seine erfolgversprechende Kariere als Universitätsdozent auf, ging 1896 nach München und studierte Kunst.
Sein zweites Schlüsselerlebnis hatte er in München. Als er eines Abends in sein Atelier kam, sah er ein faszinierendes Gemälde in der Ecke stehen, auf das die Sonne schien. Es war ein eigenes Bild, das er aus einem anderen Blickwinkel nicht genau erkennen konnte. Er sah faszinierende Farben ohne Gegenstände zu erkennen, noch mehr, er ahnte, dass Gegenstände die reine Farbe behindern.
Sein Weg zur Gegenstandslosigkeit entwickelte sich aber über mehre Stufen.
Zunächst malte er Bilder nach der „äußeren Natur“. Er vereinfachte immer stärker und versuchte mit Farbigkeit zu komponieren. Diese Bilder nannte er Impressionen.
„Da ich die Farbe über alles liebte, so habe ich schon damals, wenn auch ganz undeutlich an (eine) Farbkomposition gedacht und das Gegenständliche dazu gesucht, das die Farben rechtfertigen könnte.“
Dann malt er Bilder nach der „inneren Natur“ aus spontanen, inneren Erlebnissen, die von Gegenständen weitgehend losgelöst waren. Diese Bilder nannte er „Improvisationen“. Für ihn die höchste Stufe war dann die „Komposition“, ein wie eine Symphonie durchkomponiertes Bild. In diesen Bildern behielt aber die Intuition und das Gefühl immer die Oberhand. Kandinsky war Expressionist und blieb es in gewisser Weise auch.
Auf dem Weg zur Komposition spiele auch nach neueren Erkenntnissen die Musik Schönbergs eine Rolle. Die Sprung Schönbergs in die Atonalität bedeutete für ihn der Sprung in die Abstraktion. Obwohl er Synästhetiker war – er konnte Farben auch musikalisch wahrnehmen -, unterschied er aber streng zwischen Malerei und Musik.
Um seinen Weg zu verstehen, ist auch seine Weltanschauung von Bedeutung. In seiner für die Kunstgeschichte sehr bedeutenden Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ schreibt er 1911 selbst: „Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit, …“ Diese seine Zeit sah er vom Materialismus verfinstert und das hat Folgen: „Wenn die Religion, Wissenschaft und Moral (die zuletzt durch die starke Hand Nietzsches) gerüttelt wurden, und wenn die äußeren Stützen zu fallen drohen, wendet der Mensch seinen Blick von der Äußerlichkeit ab und sich selber zu.“ Er sieht sich in einer Zeit der geistigen Wende: „In allem Erwähnten sind die Keime des Strebens zum Nichtmateriellen, Abstrakten und zu innerer Natur.“ Abstraktion und reine Farben, die nicht an Gegenstände gebunden waren, verband Kandinsky mit dem Geistigen. Die Farbe ist – über die rein physische Wirkung hinaus – für ihn ein Mittel, direkt auf die Seele einzuwirken: „Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten.
Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste zweckmäßig die menschliche Seele in Vibration bringt.
So ist klar, dass die Farbenharmonie nur auf dem Prinzip der zweckmäßigen Berührung der menschlichen Seele ruhen muss.
Diese Basis soll als Prinzip der inneren Notwendigkeit bezeichnet werden.“
Kandinskys abstrakten Bilder hatten sich langsam aus gegenständlichen Bezügen entwickelt. Er entwickelte dann einen Art Code für seine abstrakten Formen, die inhaltlich/gegenständliche Bezüge hatten. Damit wurden sie allerdings für den Nichteingeweihten verschlüsselt und nicht so leicht zu verstehen. So galt ihm Blau als kalt, stand für Himmel, Übersinnliches, Unendlichkeit und Ruhe. Auch Formen waren Bedeutungsträger und Symbole. Der Kreis, mit dem er spirituelle Assoziationen verband, entwickelte sich bei ihm eine Zeit lang zum wichtigsten Element seiner Bilder.
Farbe geht nicht ohne Form. Formen, die selbständig bestehen können, beeinflussen die Farben. So wird die „spitze Farbe“ Gelb in einem spitzen Dreieck noch spitzer. Er versuchte, bestimmte Farben bestimmten Formen zuzuweisen: Blau dem Kreis, Rot dem Quadrat, Gelb dem Dreieck. Er ist auch der Meinung – bei aller Betonung der abstrakten Form -, dass der moderne Maler mit ausschließlich abstrakten Formen nicht auskommt.
In seinen letzten Jahren in Paris sind seine Bilder durch Formen bestimmt, die teilweise wie Vergrößerungen von Mikroben aussehende. Er sagt zur Erklärung: „Man sollte die Sache nicht komplizierter machen, als sie in Wirklichkeit ist. Mein ‚Geheimnis’ besteht ausschließlich darin, dass ich seit Jahren die glückliche Fähigkeit erwarb mich von ‚Nebengeräuschen’ zu befreien. Der ‚Inhalt’ der Malerei ist Malerei. Der Inhalt redet freuderfüllt zu dem, für den jede Form lebendig, also inhaltsvoll ist.“
Kandinsky kann nicht im eigentlichen Sinne als gegenstandsloser Maler bezeichnet werden. Wenn man davon ausgeht, dass auch noch ein farbiges Quadrat ein Gegenstand ist, ist es fraglich, ob gegenstandslose Kunst überhaupt möglich ist.
Wirklich gegenstandslos zu malen, hat Piet Mondrian versucht.
2.c Mondrian: Die Suche nach der reinen Realität
Piet Mondrian (1872-1944) war etwa 50 Jahre alt, als er auf einem langen Weg zu seiner Form der gegenstandslosen abstrakten Kunst gefunden hatte. Er war dann aber derjenige, der am konsequentesten und radikalsten versucht hat, alles Gegenständliche aus der Malerei zu verbannen. Er suchte die „reine Realität“. Dabei waren ihm auch alle subjektiven Gefühle und Vorstellungen im Wege:
„Schrittweise wurde ich gewahr, dass der Kubismus die logische Folgerung aus seinen eigenen Entdeckungen nicht annahm. Er entwickelte die Abstraktion nicht zu ihrem letzten Ziel, dem Ausdruck der reinen Realität. Ich fühlte, dass sie nur erreicht werden kann durch reine Gestaltung, und diese darf wesentlich nicht bedingt sein durch subjektives Fühlen und Vorstellen. Ich bemühte mich lange Zeit, diejenigen Besonderheiten von Form und Naturfarbe zu entdecken, welche subjektive Gefühlszustände erwecken und die reine Realität trüben. Hinter den wechselnden natürlichen Formen liegt die unveränderliche reine Realität. Man muss also die natürlichen Formen auf reine unveränderliche Verhältnisse zurückführen. – Das Universelle hinter jedem besonderen Anblick der Natur beruht auf der Gleichwertigkeit von Gegensätzen. In der Natur sind alle Verhältnisse verschleiert durch die Materie. – Solange die Gestaltung sich irgendwelcher „Form“; bedient, ist es ausgeschlossen, reine Verhältnisse zu gestalten. Aus diesem Grund hat sich die neue Gestaltung von jeder Formbildung befreit.
Was versteht Mondrian unter „reine Realität und das „Universelle“, das auf der Gleichwertigkeit von Gegensätzen beruht?
1909 trat Mondrian der Theosophischen Gesellschaft (Theosophie = griech. Gottesweisheit) bei, die 1875 von Helena Blavatzky gegründet wurde. Nach der Lehre der Theosophen sind Kunst und Natur eine Offenbarung des Universalen, des kosmischen Bewusstsein. Alles Existierende ist in seinem grundlegenden Wesen mit dem kosmischen Bewusstsein verbunden. In meditativer Berührung kann der Sinn und der Bau der Welt erkannt werden. Für Mondrian sind die „Beschaffenheit der Natur“ und die „Beschaffenheit der Kunst“ aber unvereinbar. Deshalb kann Kunst die „Beschaffenheit der Natur nicht nachahmen. Die Kunst muss für sich das Universelle frei legen. Die „reine Realität“ liegt hinter der Erscheinung der Dinge. Der Mensch, der nach Mondrian auch Innerlichkeit ist, Geist und Seele, darf nicht nur diesen äußeren Schein darstellen und auch nicht die eigne Seele, das menschliche Gefühlsleben – Seelen haben auch die Tiere – sondern das Geistige. „Der Geist macht den Menschen zum Menschen. Zum Menschen, doch die Kunst zielt darauf hin, das Übermenschliche auszusagen. Sie ist Intuition. Sie ist der reine Ausdruck jener unbegreiflichen Kraft, die universal wirkt und die wir deshalb das Universale nennen können.“ Mondrian verachtet dabei die Natur nicht. Sie ist eine große Offenbarung. Der Künstler muss die Natur verinnerlichen und in der Intuition erfasst er das Wesentlicher in der Natur. Zudem sind wir auch gar nicht in der Lage, die Natur angemessen wieder zu geben: „Die Naturerscheinung ist viel schöner und größer, als ihre Abbildung es jemals sein könnte. Daher werden wir zu einer anderen Gestaltung genötigt, wenn wir die Natur voll und ganz wiedergeben wollen. Gerade um der Natur, um der Realität willen vermeiden wir die natürliche Erscheinung. Er sieht die Realität als eine Einheit: … „alle ihre Erscheinungen zeigen ein und dasselbe – das Unwandelbare.“ Diese Unwandelbare versucht er so rein wie möglich darzustellen.
Dazu versucht er, sich von allem Gegenständlichen, von Empfindungen, Gefühlen und Phantasien und von jeder besonderen Form loszulösen.
Diese endgültige Form seiner Malerei hat er 1920 gefunden, die dann bis zu seinen letzen Jahren in New York nur noch Variationen erfahren hat: durchgehende schwarze Linien, die Rechtecke bilden, aber als solche nicht mehr in Erscheinung treten und Ausfüllung dieser „Rechtecke“ mit den reinen Grundfarben Rot, Blau und Gelb und den Nichtfarben Weiß, Grau und Schwarz. Zwischen diesen Elementen will er ein Gleichgewicht erreichen, um universale Schönheit herzustellen. Diese Schönheit soll aber keine Harmonie sein, weil auch sie noch einen bestimmten Empfindungswert darstellt, sondern „gleichgewichtige Beziehung“. „Diese ist so allgemein wie mathematische Funktionen, aber sie ist nicht mathematisch, sondern ganz irrational, und als rein Funktion ohne Substrat ist sie dynamisch. Als universelle Realität, nicht abgeleitet von einer anderen, in diesem Sinne nicht abgezogen (abstrakt), nennt sie sich konkret.“
Um solche Beziehungen herstellen zu können, müssen Formen und Farben in gewisser Weise erst „gereinigt“ werden:
Ein Rechteck ist immer noch eine besondere Form. Sie wird durch die schwarzen Linien, die das Bild überziehen, neutralisiert. Die schwarzen Linien fallen in den Blick, nicht mehr die Rechtecke, die durch die im rechten Winkel sich überschneidenden schwarzen Linien gebildet werden. „Vertikale und Horizontale sind der Ausdruck zweier entgegengesetzter Kräfte; dieses Gleichgewicht von Gegensätzen existiert überall und beherrscht alles.“ (Mondrian) Horizontale und Vertikale waren für ihn auch Symbole für den Menschen in der Welt und die Art und Weise, wie der Mensch die Welt wahrnimmt.
Auch Farbe soll für Mondrian kein bestimmter Gefühlwert mehr sein, sondern Trägermaterial für eine Idee. Die natürlichen Farben müssen „denaturalisiert“ werden, d. h. von ihrer Natürlichkeit befreit werden, um abstrakte zu sein. Solche abstrakten Farben sind die möglichst reinen Primärfarben Rot, Blau und Gelb. Da sie aber noch die Äußerlichkeit der Farbe haben und keine harmonische Beziehungen zwischen ihnen entstehen sollen, müssen sie durch die drei Nichtfarben neutralisiert werden.
Andere Farben als die Primärfarben und andere Formen, als die, die durch Horizontale und Vertikale Linien gebildet wurden, verabscheute er auch im Leben. Wenn er in einem Cafe saß und durch ein Fenster einen grünen Baum sah, setze er sich um. Dass der Tonabnahmearm an seinem Plattenspieler gebogen war, störte ihn.
Aus diesen „gereinigten“ Elementen von Formen und Farbe soll eine Dynamik im Gleichgewicht hergestellt werden. Der Rhythmus dieser Dynamik soll sich in Einheit auflösen, in ein Gleichgewicht, das nicht statisch ist, sondern dynamisch. „In der rein gestaltenden Komposition ist das Unveränderliche (Geistige) ausgedrückt durch das Universalgestaltungsmittel, den absoluten Gegensatz, Horizontale und Vertikale rechtwinklig sich schneidend, und durch die nichtfarbigen Flächen (Schwarz, Weiß, Grau); die neue Gestaltung bedient sich dabei des Veränderlichen (Natürlichen), das sind variable Maßverhältnisse, Rhythmus, das Verhältnis von Farben und das Verhältnis von Farbe zu Nichtfarbe. Darin liegt das Individuelle. Weit davon entfernt, die individuelle Natur des Menschen zu ignorieren oder die „menschliche Note“ zu verlieren, ist die rein gestaltende Kunst die Vereinigung des Individuellen mit dem Universellen. Es herrscht Äquivalenz der beiden Aspekte des Lebens.“ (Mondrian)
Diese neue Gestaltung sollte nicht auf die Malerei begrenzt bleiben. Er spricht sogar davon, dass „Kunst nur ein Ersatzmittel ist, solange die Schönheit des Lebens noch fehlt. In dem Maße, in dem das Leben zu seinem Gleichmaß findet, wird die Kunst langsam verschwinden.“ Er sprach allerdings selbst von einem Zeitraum von Tausenden von Jahren. Bedeutend für diese Auffassung war die Evolutionsidee der Theosophen. Wie sie glaubte er daran, dass die Welt von einem paradisischen Zustand abgefallen war und wieder auf dem Weg dorthin ist. Auf dieses Ziel hin muss er arbeiten. Es gibt daher für ihn auch keinen Stillstand in der Kunst, auch für seine persönliche Entwicklung nicht.
Seine Ideen und seine Entwürfe, die durchaus großen Einfluss auf die Architektur hatten, setzten sich bei den ihm befreundeten Architekten nicht schnell genug und nicht konsequent genug durch. Das enttäuschte ihn sehr. Seine Ideen verwirklichte er dann über Jahrzehnte in der Gestaltung seiner Ateliers. Er strich die jeweiligen Räume und seine Möbel weiß an. Alle Formen waren möglichst rechtwinkelig gestaltet. An die Wände hefte er in den Grundfarben gefärbte Kartons. Einmal strich er sogar sein Grammophon rot an, damit es in seine Gestaltung passte. Selbst der Aschenbecher musste an der richtigen Stelle stehen. Besucher waren beeindruckt. Ein Reporter berichtete nach einem Besuch 1925: „Hier … ist die Atmosphäre so scheeähnlich, ist die Luft so eisig rein, dass man von selbst beginnt, über Ursprung und Sinn der menschlichen Existenz nachzudenken.“ Der Künstler Zwart, der ihn regelmäßig besuchte, empfand immer wieder „bei Gott hereingebeten“ zu werden. Modrian selbst erzählt, dass eine ihn besuchende Russin ausgerufen habe: „Aber mein Herr, bei ihnen kann man nicht unglücklich sein.“
1942 gibt er die schwarzen Strukturen zu Gunsten von farbigen auf. New York und das pulsierende Leben dieser Stadt und der Jazz begeistern ihn. New York ist für ihn der Triumph der menschlichen Ordnung über die Natur
2.d Der versperrte Weg zur Transzendenz
Schwarz ist nach Kandinsky „wie ein Nichts ohne Möglichkeiten, wie ein totes Nichts nach dem Erlöschen der Sonne, wie ein einziges Schweigen ohne Zukunft und Hoffnung klingt innerlich das Schwarz. Es ist musikalisch dargestellt wie eine vollständig abschließende Pause.
Als Malewitsch 1915 sein „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ ausstellte, deckte er alle Bisherige, auf die gegenständliche Wirklichkeit bezogene Kunst mit schwarzer Farbe zu. Es war für ihn der Nullpunkt, von dem ganz Neues ausgehen sollte. Seine folgende geometrische abstrakte und weitgehend farbige Gestaltung endete dann im Weiß: Weiße Quadrate auf weißem Grund. Das war eigentlich das Ende der Malerei und er wusste, wie mir scheint, nicht so recht weiter. Zwar sah er im Weiß „die wirkliche, reale Verkörperung der Unendlichkeit“, aber der Zugang zu dieser Unendlichkeit als reale Wirklichkeit war wohl nicht in seinem Bewusstsein und seinem Weltbild verankert. Für ihn war es nur die Ahnung von Absolutem und die leere Offenheit auf die Zukunft hin.
Bei Kandinsky hat eine radikale Hinwendung zum Transzendenten wie bei Malewitsch und Mondrian wohl nicht stattgefunden.
Für Kandinsky standen die Farben als reine Klänge, die auf die Seele einwirken sollten, zwar im Mittelpunkt – und Farben stehen dem Geistigen im Sinne von Transzendenz sicher am nächsten. Doch Farben haben bei ihm aber auch symbolische Bedeutung, die durch Formen noch verstärkt werden können. Man kann mit Farben und Formen komponieren wie mit Noten.
In einer Aussage zu „Weiß“ deutet sich bei ihm aber ein Bezug zur absoluten Wirklichkeit an:
„Im Weiß sind alle Farben verschwunden. Es ist großes Schweigen, aber voller Möglichkeiten wie das Nichts vor der Geburt.“
Mondrian war kompromisslos und radikal. Ihm ging es um die „reine Realität“ und das Universelle und Unwandelbare. Dazu müssen in seiner Gestaltung auch Formen und Farben neutralisiert werden. Gefühle und selbst Harmonie sollten ausgeschaltet werden. Es ging ihm nur um „gleichwertige Beziehungen“, die etwas von mathematischen Formeln haben. Seine Ausrichtung auf Transzendenz scheint mir durch seine Weltanschauung eingeschränkt. Er war von theosophischen Ideen und von den Ideen des Philosophen Schoenmaeker beeinflusst.
„Nach Ansicht des holländischen Philosophen Schoenmaekers, der auf Mondrian und die gleich gesinnte Künstlergruppe ‚De Stijl’ (hol. ‚Der Stil’) einen großen Einfluss ausübte, besitzt das Universum eine mathematische Struktur. Wollte man also die Harmonie des Universums künstlerisch zu Anschauung bringen, so musste man dies auf geometrische Weise versuchen und den Gegenstand ausschalten, der mit seiner zufallsbestimmten Erscheinung vom Eigentlichen ablenkte.“ (http://www.lehre.uni-karlsruhe.de) Diese Lehre scheint der Hintergrund für die Vorstellung von der „reinen Natur“ bei Mondrian zu sein. Er versucht das Materielle und Zufällige und damit das Subjektive in der Kunst zu überwinden, um zu der eigentlichen geistigen Natur der Wirklichkeit vorzustoßen. Weiteren Einfluss auf ihn hatte der holländische Philosoph Spinoza, der der Ansicht war, das Universum besitze eine mathematische Struktur.
2.e Transzendenz als offene Weite
Der indische Weise Krishnamurti, der in der Theosophischen Gesellschaft als Weltenlehrer eingesetzt war, distanzierte sich 1929 von dieser Position und den Lehrern der Theosophen, indem er sagte: „Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.“ Das heißt wohl, dass jede Lehre die transzendente Wahrheit einschränkt. Sie ist auch weder mathematisch noch geometrisch. Das entspricht auch der Aussage des Boddhidarma, der den Buddhismus von Indien nach China gebracht hat. Auf die Frage des Kaisers von China nach der letzten Wahrheit antwortete er: „Endlose Weite, nichts Heiliges.“ Diese Aussagen sind wichtig für meine Bilder: Die weißen Flächen meiner Quadratbilder mit weißem Rahmen, aber auch die anderen Bilder mit weißem Grund, sollen diese Weite und Offenheit der Transzendenz darstellen. Aus dieser Transzendenz heraus oder auf diese Transzendenz hin sind meine Bilder zu lesen.
Über diese letzte Wirklichkeit, über die Leere – im buddhistischen Sinne, die die Fülle ist, oder das Tao, kann eigentlich nicht gesprochen werden.
Auf einer Steinfigur eines chinesischen Buddhas steht:
Das höchste Wahre ist ohne Bild. Gäbe es aber kein Bild, so gäbe es keine Möglichkeit, wodurch es sich als das Wahre zu manifestieren vermöchte. Das höchste Prinzip ist ohne Worte. Gäbe es aber überhaupt keine Worte, wodurch könnte es sich dann als Prinzip offenbaren?
Das Problem des Mystikers ist auch das Problem des Künstlers. Das macht den Künstler zu einem Ringenden.
Die weiße Fläche ist für die Transzendenzerfahrung am konsequentesten, aber – wie auch schon Kandinsky festgestellt hat – kommt der Künstler nicht ohne Form und Farbe aus, wenn er etwas vermitteln will. Als Menschen sind wir an sinnliche Erkenntnis gebunden. Daher meine farbigen Quadrate und gegenständlichen Motive auf der weißen Fläche.
Der weiße Quadratrahmen weist den Erfahrungsort zu, an dem die Erfahrung des Bildes gemacht wurde und gemacht werden kann: in der Kontemplation.
Weißer Rahmen = Kontemplation
Weiße Fläche = Transzendenz
3. Zeitbezug meiner Bilder
„Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit, …“ (Kandinsky) Für Malewitsch, Kandinsky und Mondrian bedeutete das, dass sie sich der Kunstentwicklung ihrer Zeit entsprechend mühsam einen eigenen Weg in die Abstraktion im Sinne von gegenstandslos suchen mussten. Für mich war von Anfang an dieser Weg offen und selbstverständlich. Das heißt aber nicht, dass ich ihn gleich beschreiten konnte. Wie die Kunstgeschichte der Moderne zeigt, haben die meisten Künstler mehr oder weniger mit einer gegenständlichen Phase der Malerei angefangen und sich dann eventuell in Richtung Abstraktion/Gegenstandslosigkeit bewegt. Den Übergang bildete dabei oft eine symbolische Ausrichtung.
Als ich in den 70 er Jahren anfing, Bilder zu malen, waren nur ein paar stark vereinfachte Ansichten von Hardenberg auf die äußere Wirklichkeit bezogen. Eigentlich habe ich mit einer symbolischen Phase angefangen: meine erste Bildserie waren Märchenmotive, die Grunderfahrungen des Menschen symbolisierten.
1987 begann ich mich intensiver mit dem Zen-Buddhismus zu beschäftigen und nahm die Praxis der Kontemplation wieder verstärkt auf. Meine spirituelle Entwicklung und die Entwicklung meiner Bilder liefen mit zeitlicher Verzögerung parallel.
Der geschichtliche Hintergrund und der Zeitgeist spielten für die Entwicklung der Kunst Malewitschs, Kaninstkys und Mondrians eine große Rolle. Das klang in meinen Texten schon an. Allgemein kann man feststellen, dass in Zeiten der politischen und weltanschaulichen Unsicherheit Menschen dazu neigen, ihren Halt in einer geistigen Wirklichkeit zu suchen. Paul Klee schrieb 1915 in sein Tagbuch: „Je schreckensvoller diese Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst, während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt.“ Zur Verunsicherung trugen auch das neue physikalische Weltbild mit Einsteins Relativitätstheorie, die Verbreitung der Erkenntnisse der Tiefenpsychologie durch Freud und der vordringende Atheismus bei. In Bezug auf das physikalische und psychologische Weltbild beschreibt diese Tendenz ein Zitat von Aniela Jaffe’ in C. G. Jung u. a., „Der Mensch und sein Symbole“, S. 261f:
„Die Atomphysik hat, um es laienhaft auszudrücken, die Bausteine des Stoffes ihrer Dinglichkeit oder Konkretheit sowie ihrer unmittelbaren Erfassbarkeit beraubt und damit die Materie zu einem Geheimnis gemacht. Dies führt zu einer veränderten Auffassung der Wirklichkeit; denn hinter unserer ‚natürlichen’ Welt, in der die klassischen physikalischen Gesetze gelten, tauchte eine neue, irrationale Wirklichkeit auf mit bisher unbekannten Gesetzmäßigkeiten. Die entsprechende Wandlung vollzog sich in der Psychologie: hinter der Bewusstseinswelt wurde die Tiefenschicht des Unbewussten entdeckt (oder vielmehr wiederentdeckt), und auch hier gelten neue und bisher unbekannte Gesetzmäßigkeiten.
Es ist ein Charakteristikum beider Hintergrundswelten, dass ihre Vorgänge und Inhalte unanschaulich sind. Für das Verständnis der Kunst als Ausdruck unser Zeit ist das von Bedeutung, denn auch sie wird nun in einem gewissen Sinne unanschaulich: sie verlässt die konkrete Realität und wird ‚abstrakt’. Die großen Künstlerpersönlichkeiten suchten ein ‚Sein hinter den Dingen’ festzuhalten. Zugleich sind ihre Werke Ausdruck eines Seins hinter dem Bewusstsein, ja noch hinter dem Traum, der ja nur in seltenen Fällen ungegenständlich ist. So weisen sie auf jene ‚Hintergrundwirklichkeit’, die als ein unerkennbares Sein hinter den physikalischen und psychischen Erscheinungen liegt. Sie sind dessen künstlerisches Äquivalent.“ Dazu noch einige Zitate der damaligen Künstler-Persönlichkeiten: „Das Zerfallen des Atoms war in meiner Seele dem Zerfall der ganzen Welt gleich. Plötzlich fielen die dicksten Mauern. …Die Wissenschaft schien mir vernichtet. …Es trennten sich für mich das Reich der Kunst von dem Reich der Natur immer mehr ab.“ (Kandinsky) Das Ziel der Kunst war für Franz Marc, „ein unirdisches Sein zu zeigen, das hinter allem wohnt, den Spiegel des Lebens zu zerbrechen, dass wir in das Sein schauen“. Die Künstler wurden zu Mystikern.
Auch der Weg zur Mystik war für mich einfacher und fast selbstverständlich. Ich musste ihn nicht mühsam über künstlerisches Schaffen finden, ich konnte auf Erfahrungen zurückgreifen, die ich vor allem in den Jahren meines Klosterlebens gemacht hatte.
Die Verunsicherung durch die geschichtlichen Ereignisse und der Veränderungen des Weltbildes betrafen mich allerdings in ähnlicher Weise. Ich habe noch das Ende des 2. Weltkrieges und seine Folgen bewusst miterlebt und dann später die Gefahr der Vernichtung der Welt durch einen atomaren Krieg. Die politischen Verhältnisse in meiner Lebenszeit ließen aber keine optimistische Zukunftshoffnung mehr aufkommen, wie sie im ersten Viertel des 20. Jahrhundert noch verbreitet war. Malewitsch, Kandinsky und Mondrian und viele andere glaubten noch lange an eine von der Kunst bestimmten glückliche Zukunftswelt.
Meine Zukunftshoffnung geht denn auch mehr von einer Veränderung der Welt durch Veränderungen im spirituellen Bereich aus. Neben dem Niedergang der christlichen Volkskirchen und der allgemeinen religiösen Verunsicherung in der westlich Hemisphäre entsteht eine breite spirituelle Bewegung, die sich auf die mystischen Traditionen in Ost und West beziehen. Auf diesem Gebiet haben wir eine friedliche Globalisierung. Mystiker und Kontemplative aller großen Religionen verstehen sich.
Insofern sind meine Bilder auch ein Ausdruck unserer Zeit und unserer Zeit voraus.