Meine schwarzen Quadratbilder I
„Schwarze Bilder mit farbigen Quadraten in der Mitte“ (Februar 2012) – 59,5 x 59,5 cm
3. Juli 2012
Als erste Bilder meiner Serie „Schwarze Quadratbilder“ habe ich Bilder mit einem farbigen Quadrat in der Mitte gemacht.
Das erste war: „Schwarzes Bild mit rotem Quadrat“, am 22.2.2012. Danach: Schwarzes Bild mit grünem Quadrat und am 29.2. „Schwarzes Bild mit blauem Quadrat“. Wie ich sie deuten soll, weiß ich auch nicht. Sie wirken auch sehr unterschiedlich. Das rote Quadrat und das blaue springen mich an, das dunkelgrüne zieht mich eher hinein. Alle drei machen aber einen feierlichen und beruhigenden Eindruck. Das Blaue fand Gretel gleich sehr schön, die anderen nicht. Das Blaue interessiert auch einige andere.
Nachdem ich nun – September 2012 – eine Deutung für meine schwarzen Quadratbilder gefunden habe, s. Text „Meine schwarzen Quadratbilder“, fällt mir die Deutung diese Bilder auch nicht mehr schwer.
Farben sind wie Klänge, die die Seele in Schwingung bringen. Farbige Quadrate sind gegenstandslose reine Klänge. Diese reinen Klänge sind schon auf meinen weißen Quadratbildern zu sehen. Erstaunlich ist nun, dass die farbigen Quadrate, die aus einer schwarzen Fläche kommen, noch intensiver sind. Das Dunkel des Schwarz steigert ihre Leuchtkraft und scheint ihnen Würde und Glanz zu verleihen. Die Faszination der einzelnen Farben und die Freude erzeugende Wirkung weisen über die Farbe hinaus auf den (weißen) Grund der Wirklichkeit, aus der alle Freude kommt. Auch farbige Quadrate auf schwarzem Grund führen zur Kontemplation.
Im Roman „Die Erfindung des Lebens“ von Hanns-Josef Ortheil, München 2009, S. 345, habe ich einen Text gefunden, der zu den Bildern mit nur einem farbigen Quadrat auf schwarzem Grund passt. Ich habe den Text „Der eine Ton“ genannt. Es geht um den Choralgesang in der Kirche eines Zisterzienserkloster am frühen Morgen:
Vor ihm gab es nichts anderes als diese Stille, es war die schwere Stille der tiefen Nacht; die noch immer den gesamten Gottesraum füllte und durch diese ersten Klänge erst langsam vertrieben wurde.
Daneben war der Gesang aber auch deshalb schön, weil er nicht aus einer Melodie, sondern nur aus der Wiederholung eines einzigen Tons bestand. Dieser Ton wurde sehr leise und mit einer geradezu rührenden Vorsicht gesungen, es war ein Ton, dessen Reinheit man in der Dunkelheit suchte und den man dann im weiten Raum langsam zum Schwingen brachte.
So begann der Tag nicht mit etwas Lautstarkem oder Demonstrativem, nein, ganz im Gegenteil, er begann mit der Bemühung, einen einzigen Ton zu treffen, um dann eine Weile lang auf ihn zu horchen. Der gesamte Gestus dieses Morgengebets hatte dadurch etwas von einer bescheidenen und vorsichtigen Annäherung, man trat aus dem Dunkel ins Helle, man lauschte dem ersten Morgenlaut und verneigte sich vor Gott, ohne mehr aufzubieten als einen einzigen Ton und die flüsternde Schwachheit der Stimme.
„Die Erfindung des Lebens“ Hanns-Josef Ortheil, München 2009, S. 345
3. Februar 2015
Ich habe einen interessanten Text zu diesen Bildern gefunden: Die Sehnsucht nach dem Wirklichsein
Wirklich zu sein, bedeutet, das zu sein, was wir sind, was wir wirklich sind; und das erfahren wir im Moment. Wirklich zu sein, verlangt nicht, dass wir irgendetwas Besonderes erleben. Es geht mehr um die Art, wie wir sind, als um das, was wir sind. Es ist wie der Unterschied zwischen der Wahrnehmung von tausend lauten Geräuschen und einer einzigen Note, einfach und sanft, die uns dem näher bringt, wer und was wir sind. Näher zu unserem Herzen. In diesem Moment fühlen wir, dass unser Herz lebendig und voller Zärtlichkeit ist. Unser Herz versprüht seine Zärtlichkeit, wenn wir uns spüren. Wir erkennen uns in dieser Zärtlichkeit wieder, in der Nähe dessen, was wirklich ist.
Almaas, A. H.: In der Tiefe des Seins, Bielefeld 2010, S. 24
Als mir die Intuition mit den farbigen Quadraten kam, hatte ich auch noch eine weitere: aus der schwarzen Fläche kam mir die Schrift „Nimm und lies!“ entgegen. Diesen Satz hörte Augustinus in seinem Inneren. Es war die Aufforderung, nach der Bibel zu greifen. Er stand wohl mit seiner Weltanschauung auch vor einer dunklen Wand und wusste nicht weiter. Er war für einen Aufbruch oder Umbruch reif. Hinter dem Schwarz wartet das Weiß. Ich habe das Schwarze weggefräst und so kommt die weiße Schrift unter dem Schwarzen hervor. Ich habe in Kinderschrift geschrieben, weil er die Stimme eines Kindes hörte.
Das Bekehrungserlebnis des hl Augustinus:
Im selben Jahr geriet Augustinus in eine intellektuelle, psychische und körperliche Krise; er gab seinen Beruf auf (Conf. VIII 2,2–4). Den Wendepunkt bildete, am 15. August 386, ein religiöses Erlebnis, das meist als „Bekehrungserlebnis“ bezeichnet wird.
In der Folge beschloss er, keinen Geschlechtsverkehr mehr zu praktizieren, auf Ehe und Beruf zu verzichten und ein kontemplatives Leben zu führen.
Augustinus hat diese Erfahrung mehrfach beschrieben. Am berühmtesten wurde die Schilderung in den „Bekenntnissen“, am Ende des achten Buches (Conf. VIII 12,29). Sie hat in Malerei, Literatur und biographischem Schrifttum ein starkes Echo gefunden. In einem Zustand religiöser Unruhe und Ungewissheit, so schreibt er dort, verließ er das Haus, in dem er in Mailand zu Gast war, und ging, gefolgt von seinem Freund Alypius, in den Garten. Als ihm sein religiöses Elend klar wurde, brach er in Tränen aus. Er entfernte sich von Alypius, legte sich unter einen Feigenbaum, weinte und sprach zu Gott. Plötzlich hörte er eine Kinderstimme, die immer wieder rief: „Nimm und lies!“ (Tolle lege). Da er etwas Ähnliches über den Wüstenheiligen Antonius gelesen hatte, verstand er, was gemeint war: Gott gab ihm den Befehl, ein Buch aufzuschlagen und die Stelle zu lesen, auf die sein Blick als erste fallen würde. Er ging zu Alypius zurück, schlug die Paulusbriefe auf, die er bei ihm hatte liegen lassen, und las: „Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet den Herrn Jesus Christus an und pflegt das Fleisch nicht zur Erregung eurer Lüste.“ (Römer 13, 13–14) Nach dem Lesen dieser Stelle strömte das Licht der Gewissheit in sein Herz. Alypius las den darauffolgenden Vers: „Des Schwachen im Glauben aber nehmt euch an.“ (Römer 14,1) Alypius bezog das auf sich und schloss sich Augustinus an. Beide gingen ins Haus zu Augustinus‘ Mutter und berichteten ihr, was geschehen war. Die Erzählung ist, entsprechend den literarischen Gepflogenheiten der Zeit, stark stilisiert; der Rhetorikprofessor Augustinus hat in sie und andere die Lebensbeschreibung des Antonius und den Feigenbaum des Jesus-Jüngers Nathanael (Johannes 1, 48) eingearbeitet. (aus: Wikipedia)
Violett hat nach Ingrid Riedel eine „… Wirkung zwischen den Ausdruckswerten des vitalen Rots und des transzendenten Blau…“. Violett ist auch die Farbe des 6. Chakras und steht für die Erfahrung des Göttlichen.
Das Bild kam als Intuition und hat eine beruhigende und meditative Wirkung. Es führt in die Ruhe und die Tiefe.
Der Bestseller „Ziemlich beste Freunde“ und der Film dazu haben mich sehr beeindruckt. Der Film war eher ein großer Spaß. Das Buch dagegen vermittelt auch die großen Qualen eines Querschnittgelähmten. Beim Lesen des Buches ging ich durch ein Wechselbad der Gefühle: immer wieder die großen Schmerzen des Philippe Pozzo di Borgo und die Depression und daneben die glücklichen und tief menschlichen Erfahrung, die – auch dank seines halbkriminellen Pflegers – das ganze Buch durchziehen.
Das Schwarz der einen Seite und das Rosa der anderen. Rosa als Erfahrung der sanfte Liebe.
Wie tief Philippe Pozzo di Borgo durch seine Situation bis in den Bereich der Mystik vorgedrungen ist, zeigen seine Aussagen in einer Fernsehsendung der Serie „37 Grad“, November 2012. Er sagt in dieser Sendung:
„Vor meinen Unfall (Absturz mit dem Gleitschirm) wusste ich nicht, wer ich war. Danach habe ich mich wiedergefunden. Denn sobald sie sich nicht mehr bewegen und keinen Lärm machen, was ja normal im aktiven Leben ist, wenn sie plötzlich in der Stille sind, z. B. im Krankenhaus, und in der Stille ist nichts, wissen sie was in der Stille bleibt? Das sind nur noch sie. In der Stille sind sie und es gibt nichts, was ihr Bewusstsein verunreinigt.
Ich habe mich nach dem Unfall wiedergefunden und ich sage immer, versuchen sie zu sich zu finden, aber bitte ohne Unfall.
Die meisten finden aber nicht zu sich, obwohl es dazu nur ein wenig Sille braucht. Fünf Minuten Stille am Tag wäre schon eine gute Therapie.
Konkret habe ich es schon bereits gefühlt, als ich noch im Krankenhaus war, in der absoluten Stille, bis auf die medizinischen Geräte. Und ich habe die Stimme des Kindes gehört, das ich einmal war. Das Ich ist das Kind in ihnen, unschuldig, rein, frisch. Natürlich ist dieses Ich für jeden von uns anders. Aber es ist immer rein und frei von jeder Last, mit der uns die Gesellschaft und ihre Verlockungen zuschüttet. Das Ich ist sehr einfach und sehr authentisch.“
Pilippe Pozzo di Borgo beschreibt hier genau, um was es auf dem Weg zum eigentlichen Selbst, der Christuswirklichkeit, dem Atman, der Buddhanatur in uns, geht und immer ging, auch wenn er nicht die Begrifflichkeit hat, die mittlerweile erarbeitet worden ist. Er unterscheidet nicht zwischen dem kleinen Ich/Ego und dem großen Ich, dem Selbst. Aber das sind ja auch alles Worte.
Seine Aussagen zeigen, dass es sich bei den „mystischen“ Erfahrungen, den Gotteserfahrungen, nicht um etwas Abgehobenes, sondern um etwas ganz Natürliches handelt, dass auch unabhängig von Religionen erfahrbar ist.
Die Karikatur stammt von Serge Kliaving. Ich habe sie etwas verändert, weil auf der Originalkarikatur die Beine und Arme noch spinnenartiger aussahen. Das wirkte mir zu unnatürlich und war mir unangenehm.
Dieses verhungernde schwarze Kind ist in ein weißes Feld gemalt. Es ist ein Schrei aus der Tiefe, der jeden noch nicht verrohten Menschen aufrütteln muss. Es geht um Leben und Tod. Auf der Ebene der weißen Fläche, die für das Jenseitige steht, sind wir alle eins im Göttlichen. In unserer heutigen äußeren Realität wird jede Gemeinschaft und jedes Mitgefühl durch die strukturelle Gewalt des Kapitalismus zerstört. Der Kapitalismus ist nicht etwas Naturgegebenes. Es ist ein System, das den Egoismus der Menschen zur Triebfeder allen Handelns macht und den Menschen entmenschlicht. Weil der Kapitalismus nicht etwas Naturgegebenes ist, habe ich das Wort „Kapitalismus“ auch nur oberflächlich mit roter Kreide auf die schwarze Fläche geschrieben.
„Im zwanzigsten Jahrhundert kamen gleich mehrere Strömungen zusammen, die den bis dahin üblichen Formen der Frömmigkeit immer mehr zu widersprechen begannen. Die wohl wichtigste und bis heute andauernde gestattet sich in der bislang nie dagewesenen Entfaltung des Individualismus. Entgegen vielfältiger Annahmen hat der Individualismus nicht nur säkulare Züge, welche vor allem auf der Aufklärung beruhen. Ganz im Gegenteil: Der Individualismus wurde indirekt, jedoch sehr nachhaltig durch den Neo-Calvinismus inspiriert und gerechtfertigt. Diese Lehre besteht darin, dass sich die protestantischen Christen mangels der Möglichkeit einer Beichte niemals wirklich sicher sein konnten, dass sie von Gott akzeptiert werden, es sei denn, sie werden mit ihren irdischen Aktivitäten, womit meistens die geschäftlichen Unternehmungen gemeint sind, erfolgreich. Der weltliche Erfolg gilt aber als sichtbares und sicheres Zeichen der Erwählung von Gott. Diese Sichtweise war extrem erfolgreich, so dass der Erfolg zum Erfolg wurde und es bis heute unangefochten immer noch ist. Zugespitzt formuliert: Egal, was wir tun, Hauptsache mir haben damit Erfolg. Sind wir erfolgreich, dann wird zwangsläufig daraus geschlossen, dass wir genau das „Richtige“ getan haben, denn sonst wären wir nicht so erfolgreich. Ohne diesen Hintergrund kann dieser bis in die heutige Zeit wirkende Lebensentwurf, der die ganze Welt erobert hat und uns heute kulturell insbesondere als der amerikanische „way of Life“ gegenwärtig ist, nicht wirklich verstanden werden. Mehr noch: Diese religiöse Begründung des Individuums, die nahezu ausschließlich auf dem wirtschaftlichen Erfolg basiert, weil sie dort am sichtbarsten werden kann, könnte durchaus als der Beginn dessen gelten, was wir weltweit als den modernen Kapitalismus bezeichnen. Damit wurde das Individuum gerechtfertigt und dank seines Erfolges „geheiligt“. In diesem Kontext wird verständlich, weshalb der „Kapitalismus“ quasi zu einer neuen Religion wurde. Einiges spricht dafür, dass er wirklich als eine solche bezeichnet werden könnte.“
Poraj-Zakiej, Alexander: Das Willigis-Jahrhundert, Holzkirchen 2020, S. 123-125
In einer indischen Erzählung beschwert sich der Schatten bei Gott, weil er immer von der Sonne verfolgt wird. Gott stellt die Sonne zur Rede. Die Sonne aber sagt, sie kenne keinen Schatten und könne sich deshalb auch nicht erinnern, jemals einen Schatten verfolgt zu haben.
Wo Licht hinfällt, gibt es keinen Schatten. Licht könnte aber nicht gesehen werden, wenn es keine Gegenstände gäbe, auf die es fallen kann. Durch den Lichteinfall auf Gegenstände entstehen aber auch Schatten. Schatten kann aber im Licht nicht bestehen. Schatten ist nichts Substantielles oder Selbständiges.
In diesem Sinne können wir auch unsere Wirklichkeit betrachten. Ohne das Göttliche, den Grund aller Wirklichkeit (die weiße Fläche) gäbe es die äußere Welt nicht. Andererseits wird durch die Schaffung der äußeren Wirklichkeit (die schwarze Fläche) das Göttliche sichtbar gemacht. Durch die äußere Wirklichkeit entsteht dann auch der Schatten.
Dieses Bild kann auf das christliche Erklärungsmodell der Dreifaltigkeit übertragen werden: Gott, der „Vater“ (das Sein) wird sich seiner selbst Bewusst und erzeugt dadurch den „Sohn“. In dieser Bewusstwerdung entsteht auch die äußere Wirklichkeit wie die bunten Farben, die durch das Licht, das durch eine Prisma geht, entstehen.
Die schwarze obere Fläche sticht gegen die untere weiße scharf ab. Das Weiß wird durch das Schwarz aber auch erst richtig zum Leuchten gebracht.
Schwarz und Weiß können auch mit den buddhistischen Vorstellungen von Leere und Form in Zusammenhang gebracht werden.
Auf das menschliche Handeln bezogen kann Schwarz und Weiß für die Sanskritunterscheidung von Manolaya und Manonasa stehen.
Manolaya ist das ganze äußere bewusste und aktive Handeln. Insofern gehört auch der ganze Bereich der Meditation dazu.
Manonasa ist das Nichthandeln, im Taoismus wu wei. Dabei geht es um den geistig-seelischen Bereich. Nach außen soll der Mensch aktiv sein und entsprechend seiner Pflichten die äußere Wirklichkeit gestalten, nach innen soll er ganz offen und gegenwärtig, ohne alle Verfälschungen durch Konzepte und Vorprägungen, sein wie ein Kind, im Zustand der Kontemplation. So kann er in jeder Situation den äußeren Bedingungen entsprechend angemessen handeln.
Nach den Lehren von Meister Eckharts, dem vielleicht größten mittelalterlichen Mystikers, soll der Mensch ganz gelassen sein. Gelassenheit entsteht aus der absoluten Hingabe an Gott. Ein gelassener Mensch handelt (innerlich) nicht selbst. Gott handelt durch ihn. Er will nichts, weiß nichts und hat nichts. Nach außen kann er aber sehr aktiv sein.
Das orange Feld sticht so stark hervor, dass das blau-violette von einigen Betrachtern nicht wahrgenommen wird. Ähnlich ist es auch in unserem alltäglichen Leben. Wir sind so nach außen gerichtet, dass wir die innere Stille, die uns ruft, nicht mehr wahrnehmen.
An diesem Bild kann die Bewegung nach innen eingeübt werden.