Monochrome weiße Quadratbilder
Monochrome Quadratbilder I (mit farbigem Innenrand)
4. Januar 2007
Vorgestern (Neujahr) habe ich bis fast 13 Uhr im Bett gelegen. Ich hatte nicht nur im Kopf einen Kater (bis 4 Uhr aufgeblieben, ich war mal wieder der letzte), sondern auch einen Muskelkater im ganzen Körper, weil ich nach 5 Wochen wieder geritten habe und das Pferd ziemlich wild war. Ich habe mal wieder gemerkt, wie abhängig man vom Körper ist. Ich war fast depressiv.
Morgens im Bett ist mir dann aber die Intuition für neue Bilder gekommen. Ich habe gleich abends damit angefangen. Sie sind noch reduzierter als meine bisherigen Quadratbilder. Ich dachte nicht, dass das möglich sei.
Die neuen Bilder bestehen aus meinem weißen Quadratrahmen, der weißen Fläche und einem einfarbigen Streifen von 15 mm am Rande der weißen Fläche zum Rahmen hin. Ich habe mit Kobaltblau hell angefangen.
Der weiße Rahmen stellt die äußere Erfahrungsebene dar, die Kontemplation. (Er zeigt auch, mit welcher Einstellung zur Wirklichkeit ich an das Bild herangehen muss. Es erzählt keine Geschichte.) Das Weiß der Fläche die Transzendenz. Farben in ihrer Reinheit kommen aus dieser Transzendenz und können auch dort wieder hinführen. Die Farbe bedeckt aber nicht die ganze Bildfläche, so dass ich darin versinken könnte – man denke an Yve Kleins blaue Bilder. Die weiße Fläche gibt der Farbe Reinheit und Strahlkraft. Auf diese Weise ist die Farbkraft stärker, als wenn ich ein monochromes Bild hätte. Ich werde immer wieder auf die weiße Innenfläche gelenkt. Die weiße Fläche ist in gewisser Weise der Wächter. Ich bleibe bei klarem Bewusstsein und komme in ein gedankenfreies Überbewusstsein. Die unendliche Weite der leeren weißen Fläche kann wirken.
Ein Zitat des englischen Religionsphilosophen und Mystikers Douglas E. Harding kann diese Ausrichtung bestätigen:
Wenn ich etwas auffallend Schönes erfahre, wie zum Beispiel Blumen, Farben, Musik, schöne Formen – sehr reizvolle Dinge. Aber ihr Reiz führt nicht dazu, dass man in Beschlag genommen wird und sich in dem Objekt verliert. Richtig wahrgenommen offenbaren sie das Subjekt ebenso wie das Objekt, und die beiden sind total vereint. Wenn wir sagen, etwas sei sehr reizvoll, meinen wir normalerweise, dass wir davon absorbiert werden. Was ich sage, ist genau das Gegenteil. Mit etwas Übung von der Art, über die wir hier sprechen, werden dies reizvollen Dinge Brennpunkten für unsere Aufmerksamkeit.
Harding, Douglas E.: Die Entdeckung unserer wirklichen Natur, Berlin 2002, S. 158
Auch das Bild gefällt mir sehr gut. Ich suche mir natürlich auch für mich die schönsten Farben aus.
Wenn ich bisher glaubte, dass ich mit weniger als mit meinen farbigen Quadraten auf weißem Grund und im weißen Rahmen keine Bilder machen könnte, so habe ich mich geirrt. Ich habe bei diesen Bildern den Eindruck, dass ich einen gewissen Endpunkt erreicht habe. Ich habe das Gefühl wie ein Bergsteiger, der einen hohen Berg bestiegen hat und vom Gipfel aus in die Weite schauen kann. Er hat sein Ziel erreicht. Vielleicht hatte ich auch deshalb in den letzten Monaten keinen besonderen Drang, neue Bilder zu machen. Solche Bilder kann ich ja jeder Zeit und vielleicht mit jeder Farbe machen. Das muss ich aber noch ausprobieren.
Je nach der Vielfalt der Bedeutung der einzelnen Farben und meiner entsprechenden Stimmung, in die mich diese Farbe versetzt, kann ich in diese gegenstandslose Unendlichkeit gehen. Farben repräsentieren die ganze sinnlich erfahrbare Wirklichkeit und das ganze Spektrum der Gefühle und Erfahrungen. Jede Farbe hat ein fast unendliches Spektrum an Gefühls- und Erfahrungsassoziationen und jede Farbe hat auch selbst wieder unendlich viele Abstufungen und Färbungen. Das zeigt der folgende Text in Bezug auf die Farbe Blau:
14. September 2007
Ich träumte letzte Nacht von einer blauen Zeichnung. Sie hatte mit Astrid Lindgren zu tun und irgendwie mit Ungerechtigkeit. (Am Abend hatte ich mich mit Vorbereitungen auf eine Astrid Lindgren Woche in meiner Galerie beschäftigt.)
Als ich aufwachte, kam mir diese Zeichnung – ihr genauer Inhalt war schon irgendwie verflogen – in mein Bewusstsein und sogleich erinnerte ich mich an mein weißes Bild mit blauem Innenrand. Dass schaffte mir Erleichterung und brachte mich in einen gedankenfreien Zustand.
Der Traum wirkte aber nach. Ich spürte einen starken Druck im Magen und Assoziationen tauchten auf.
Sie begannen mit dem Gesicht von Astrid Lindgren, das in Beziehung zum Gesicht von Anne Frank gesetzt wurde. Mir fiel der Ausdruck mater-materia ein. Das ewig bergende und verschlingende Weibliche und das Bild einer Analysandin oder eines Analysanden (Analysand – Jemand, der in Therapie ist) aus einem Buch, das ich vor Jahrzehnten gelesen hatte. Das ewig Weibliche war dort wie eine große Mutter dargestellt, deren Körper aus einer Meereswoge gebildet wurde. Mit einem von unendlichem Leid geprägten Gesicht quetschte sie eine kleine nackte Frauengestalt in ihren Händen. Dicke Blutstropfen fielen nach unten auf eine Stelle, an der sich ein Baby gebildet hatte. Dann fielen mir die Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren ein. Sie hatte das Buch vor dem Hintergrund des mörderischen Faschismus und dem Zweiten Weltkrieg geschrieben.
Als letzte Assoziation kam dann noch eine Erinnerung an den Bericht über eine jüdische Mutter, die sterbend in einem Viehwagon auf dem Weg nach Auschwitz ihrer Tochter sagte, sie solle nie hassen.
Ich glaube, dass Astrid Lindgren ihre Bücher aus einem tiefen Mitleiden mit den gequälten Menschen geschrieben hat und eine tröstlichere Gegenwelt darstellen wollte. Sie wollte den Menschen leben helfen.
Farben können alle Bereiche der menschlichen Erfahrung berühren bis ins Archetypische hinein.
Der Blauton auf diesem Bilde trifft nicht genau den Ton, den ich mit dieser Erfahrung verbinde. Es müsste ein etwas kühleres Blau sein.
Ich werde zu einzelnen Farben entsprechende Texte verfassen, damit der Betrachter dieser Bilder auf die weite Welt der einzelnen Farbe hin geweitet wird. (Was bisher nicht passiert ist.)
Das hört sich jetzt etwas gewaltig an. Wer will, kann aber auch einfach die Schönheit der Farbe erfahren, sich an ihr freuen und glücklich und klar sein.
Weil nur eine Farbe zur Wirkung kommen kann, käme es darauf an, Farben zu nehmen die besonders prägnant und strahlend sing. Solche Farben habe ich bisher nicht eingesetzt, weil ich sie nicht habe.
Monochrome Quadratbilder II, mit farbigem Innenquadrat
27. Oktober 2009
Heute hat Hans sechs Kartons Bücher für sein Antiquariat abgeholt, die ich aussortiert hatte. Ich habe jedes Buch kommentiert und war dann ziemlich angestrengt. Was mache ich in einem solchen Fall? Ich lege mich auf‘ s Sofa. Als ich da lag, kam mir die Intuition für ein neues Bild. Die war aber so, dass ich sie gleich abgewiesen habe: Einmal wieder ein „leeres“ Bild, ähnlich wie meine monochromen Bilder mit nur einem farbigen Streifen, aber nicht am Rahmenrand, sondern mehr in die Mitte gerückt. Ich wollte da nichts mit zu tun haben, weil ich auch den Eindruck hatte, damit das Konzept meiner monochromen Bilder zu beschädigen.
Was soll so ein Bild? Die Intuition ließ mich aber nicht los und ich begann mich damit anzufreunden. Nun will ich solche Bilder machen. Da heißt, erst mal eins. Vielleicht haben solche Bilder die Eigenschaft, dass ich beim Anschauen noch mehr auf die Farbe konzentriert bin und nicht – wie bei meinen bisherigen monochromen Bildern – von der weißen Fläche immer wieder zum Rand hinwandere. Die Konzentration auf die Farbe könnte stärker sein.
Als mir die Intuition dieser Variation von monochromen Quadratbildern kam, habe ich sie zunächst zurückgewiesen. Wieder ein „leeres“ Bild, ähnlich wie meine monochromen Bilder mit nur einem farbigen Streifen, aber nicht am Rahmenrand, sondern mehr in die Mitte gerückt. Ich wollte da nichts mit zu tun haben, weil ich auch den Eindruck hatte, damit das Konzept meiner bisherigen monochromen Bilder zu beschädigen. Was soll so ein Bild? Die Intuition ließ mich aber nicht los und ich begann mich damit anzufreunden. Vielleicht haben solche Bilder die Eigenschaft, dass ich beim Anschauen noch mehr auf die Farbe konzentriert bin und nicht – wie bei meinen bisherigen monochromen Bildern – von der weißen Fläche immer wieder zum Rand hinwandere. Die Konzentration auf die Farbe könnte stärker sein.
Die farbigen Quadrate schneiden aus der weißen Fläche, die ja das Jenseitige/Transzendente darstellt, eine Fläche heraus, die einen Hauch der Färbung der Farbe annimmt. Das scheint mir sehr passend. Das Transzendente ist eigentlich leer. Wenn ich eine Farbe darauf setze ist es nicht mehr ganz rein/leer, eben etwas eingefärbt, aber andererseits für uns Menschen zugänglicher.
Bei der Größe der Quadrate ist spontan ein Verhältnis im goldenen Schnitt zum Rahmen entstanden.
Bei meinen „Weißen Bildern mit monochromem Innenrand“ ist das Weiß vielleicht übermächtig. Bei meinen neuen Bildern gewinnt die Farbe eine fast erotische Schönheit, die aus dem Jenseitigen kommt und ins Jenseitige führt oder die aus dem Diesseitigen kommt und ins Jenseitig führt und zurück.
Immanenz und Transzendenz
Kunst und Spiritualität laufen auch hier zusammen. Ich habe jetzt eine wunderbare Theorie für die Bedeutung und die Deutung dieser Bilder gefunden.
Vor ein paar Wochen habe ich das Kapitel über die Dreifaltigkeit in meiner Einführung zu Meditation und Kontemplation überarbeitet. Ein neuer Unterpunkt handelt von Immanenz (lat. immanere = drin bleiben; Innewohnen, Enthaltensein) und Transzendenz ( lat. transcedere = überschreiten; Überschreiten der Grenzen der Erfahrung). Daraus ein Ausschnitt aus dem Buch des amerikanischen Bischof John Shelby Spong: Was sich im Christentum ändern muss, S. 155f:
„Einige religiöse Denker vertreten die Meinung, dass alle diese modernen Versuche, das Heilige neu zu sehen, letztlich nichts Anderes sind, als der Absturz des transzendenten Andersseins Gottes in den flachen Sinn der Immanenz Gottes. Diese Immanenz ist flach, weil sie der einzige Aspekt Gottes ist, den Menschen vermutlich begreifen können. Dies ist jedoch nicht mein Verständnis, weder von Immanenz noch von Transzendenz.
Transzendenz, wie sie konservative Denker verstehen, ist nach meiner Meinung nur ein Aspekt des theistischen Denkens (Glaube an einen einzigen, persönlichen Schöpfergott) der Vergangenheit, der seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass die Transzendenz sich im Konzept eines überirdischen Gottes erschöpft, der von einem günstig gelegenen, übernatürlichen Ort auf diese Welt einwirkt. Ich sehe die Transzendenz eher als eine zusätzliche Dimension des Heiligen. Die Immanenz Gottes mag mit solchen menschlichen Qualitäten wie Liebe, der Qualität des Lebens und der Bejahung der Existenz identifiziert werden. Man nähert sich Gott zuerst in diesen sehr menschlichen Erfahrungen. Aber wenn wir einmal die Schranken überschritten haben, die unser Menschsein begrenzen, und zur Unendlichkeit der Quelle des Lebens selbst gelangt sind, dann wird Transzendenz das Wort, das die endlose Tiefe des Lebens symbolisiert, die uns dann offensteht. Immanenz steht für den Ort, an dem es zum Kontakt zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen kommt. Transzendenz steht für die unauslotbare göttliche Tiefe, wenn sie berührt ist. Das menschliche Leben kann in die Unendlichkeit Gottes eingehen, weil die Unendlichkeit Gottes im Herzen jedes menschlichen Wesens gefunden werden kann. Die beiden sind nicht verschieden. Menschlichkeit und Göttlichkeit fließen zusammen.
In meinen farbigen Randbildern sehe ich Immanenz und Transzendenz verwirklicht. Die Fülle des Irdischen zeigt sich in den verschiedenen Farben. Ihr Erlebnis führt mich in die Tiefe des transzendenten Weiß.