Meine schwarzen Quadratbilder (Theorie)
Die Rahmen stellen bei mir die Bilder in einen bestimmten Zusammenhang unserer Wirklichkeit. Der weiße Rahmen bedeutet Kontemplation, der schwarze die Erfahrung in unserer äußeren Wirklichkeit und die äußere Erkenntnis dieser Wirklichkeit mit unserem Verstand, mit unserem begrifflichen Denken, mit unseren gesammelten Erfahrungen in unserem Gedächtnis und unserem Unterbewussten. Dazu gehörten aber auch alle Erfahrungen, die man überhaupt machen kann, also auch innere Erfahrungen. Eigentlich alles, was an die Zeit gebunden und vergänglich ist: alles, was entsteht und vergeht, alles was „stirbt“. Damit ist die schwarze Farbe des Rahmens schon zum Teil geklärt. Genauer kann aber noch gesagt werden, dass es eigentlich um „Den Ruf aus der Tiefe“ geht. In unserer vergänglichen Wirklichkeit erreicht uns der Ruf aus der Transzendenz, die durch die weiße Fläche repräsentiert wird.
Die schwarze Fläche deckt die weiße Fläche zu. Als ersten Grund habe ich bei meinen schwarzen Bildern von Anfang an eine weiße Fläche gelegt.
Vielleicht gibt es hier Parallelen zum russischen Maler Malewitsch (1878-1935), der an der Wiege der Moderne stand. Als Malewitsch 1915 sein „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ ausstellte, deckte er alle bisherige, auf die gegenständliche Wirklichkeit bezogene Kunst mit schwarzer Farbe zu.
Es ist die Abkehr in der Malerei von allen Beziehungen zu den Dingen. Er sagt dazu: „Als ich 1913 den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien, stellte ich ein Gemälde aus, das nicht mehr war als ein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grund…Es war kein leeres Quadrat, das ich ausstellte, sondern vielmehr die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.
Das Quadrat = Empfindung, Das weiße Feld = die Leere hinter dem Quadrat.“ Er nannte das „Schwarze Quadrat auf weißem Grund“ selbst, die „ungerahmte Ikone seiner Zeit“ und einen Nullpunkt für eine neue Kunst. Entsprechend seiner Einschätzung als Ikone hängte er das Bild in der Ausstellung in die östliche Ecke des Raumes, an die Stelle, an der traditionsgemäß in Russland die Ikonen stehen. Er wollte eine neue radikale Kunst, die die Ikonen ersetzen konnte und über alle kulturellen und ethnischen Grenzen hinweg verständlich sein sollte. Die neuen Werke sollten den Maler während es Malens und den späteren Beschauer in einen höheren Bewusstseinszustand versetzen. Nullpunkt soll heißen, dass er was ganz Neues aufbauen will, das sich nicht von etwas ableitet.
Die Erfahrungen auf der Ebene der schwarzen Rahmen und das, was auf der schwarzen Innenfläche abgebildet ist, verweisen auf die darunterliegende weiße Ebene, auf die Transzendenz.
Die weiße Ebene ist eigentlich keine Erfahrung – Erfahrungen kommen und gehen – sondern unser ursprünglicher Zustand: die ursprüngliche natürliche Offenheit des Kindes, dessen Wahrnehmungen noch nicht durch Erfahrungen überlagert und verfälscht sind. Der Zustand der leeren Offenheit. Das reine Gewahrsein. In diesem reinen Gewahrsein sind wir mit allem verbunden. Im Hinduismus wird diese; Gewahrsein „Atman“, das Göttliche in uns, im Buddhismus die „Buddhanatur“, im Christentum das „Reich Gottes“ genannt.
Bei der Betrachtung meiner weißen Bilder, sollen alle Gedanken zur Ruhe kommen, um diesen Zustand der Leere zu erreichen. Mit den Gedanken verschwindet auch das Ich, das ja eine Gedankenkonstruktion ist und nicht unsere wirkliche Identität. Das Ich entsteht durch Identifikation mit unseren Gedanken und Erinnerungen.
Aus den schwarzen Bildern tauchen Anrufe aus den dem weißen Grund auf und sollten dort hin wieder zurückführen. Die schwarze Fläche ist die Schwelle zur Transzendenz.
Entstehungsgeschichte der Schwarzen Quadratbilder
20. Februar 2012
Vorgestern hat mir Markus endlich neue Bilderrahmen gebracht. Zunächst fünf schwarze und heute nochmal 18 weiße. Eigentlich weiß ich schon gar nicht mehr so genau, warum ich schwarze haben wollte. Ich glaube, es hing mit einem Todesfall zusammen oder mit irgendeiner Intuition, an die ich mich nicht mehr erinnere. Ich dachte – soweit ich mich erinnere – an einen schwarzen Rahmen mit weißer Fläche, in der Mitte ein großes schwarzes Quadrat, umgeben von kleinen roten. Vielleicht bin ich auch mit meinen Bildern an ein gewisses Ende gekommen. Was ich jetzt mache, ist irgendwie Wiederholung. Der schwarze Rahmen ist zwar neu, aber die Fläche bleibt weiß und die Quadrate farbig. Der schwarze Rahmen stellt das Bild nicht in die Wirklichkeit der Kontemplation, sondern des Todes. Das waren so meine Gedanken. Sie befriedigten mich aber irgendwie nicht.
Gestern Morgen im Bett kamen mir dann, wie ich meine, die richtigen Intuitionen: Der schwarze Rahmen mit schwarzer Bildfläche und darauf farbige Quadrate oder andere Inhalte. Dabei habe ich das Gefühl von etwas ganz Solidem und Festem. Zwar nicht nur unsere äußere Wirklichkeit oder irgendwie auch, sondern – anders als der weiße Rahmen, der auf die Erfahrung der Kontemplation zielt und sich irgendwie „leichter“ anfühlt und auf Auflösung hin – irgendwie fester und mehr bei mir bleibend, vielleicht als ein fester Grund. Das kann mit meiner Beschäftigung mit Meister Eckhart zusammenhängen und mit meiner Erkenntnis und der Einübung dieser Erkenntnis entsprechend dem von mir aus dem Englischen übersetzten Buch des Inders Bagawath. Das war mein Thema in meinem diesjährigen Winterseminar in Hardenberg. Das ist alle noch etwas unklar.
Vom formalen her ist es so: Auch Schwarz ist keine Farbe oder eine nichtbunte. Sie stört auch andere Farben nicht. Insofern kann ich wie bisher rein mit der Farbe komponieren. Der Rahmen stellt auch die „äußere“ Wirklichkeit dar, meine neue Erfahrungswirklichkeit, die mehr von meinem festen Inneren ausgeht. Schwarz ist ja insofern auch die Fülle, als es Summe der Grundfarben, in gewisser Weise die Zusammenfassung allen Sichtbaren. In diesem Rahmen erfahre ich dann in der schwarzen Fläche die Tiefe der „Form“.
Meine letzten Bilder bezogen sich auf „Form“, Leere ist Form, also auch die äußere Wirklichkeit ist Leere, aber eben auch eine Wirklichkeit für sich, auch wenn sie nicht unabhängig für sich steht. Beide Bereiche sind die zwei Seiten einer Medaille.
7. März 2012
Warum mich das eigentlich negativ besetzte Schwarz so anzieht, weiß ich eigentlich selber nicht genau. Schon 2002 habe ich ein schwarzes Bild gemalt und gerätselt, warum mich die schwarze Fläche so anzog:
4. Februar 2002
Zu meinem Bild, signiert am 22.4.01, habe ich einen interessanten Text gefunden. Aber vielleicht erst etwas zur Vorgeschichte.
Das Bild entstand nach dem Bild mit rotem Grund und schwarzem Kreuz. Ich hatte das Bedürfnis, ein Bild mit nur schwarzer Fläche in dieser Reihe zu machen, monochrom schwarz. Dass mich plötzlich eine schwarze Fläche so anzog, hat mich eigentlich erschreckt. Schwarz ist ja nun wirklich nicht meine Farbe. Den ganzen Urlaub über in Slowenien drängte es mich aber, dieses Bild zu malen. Zu meiner Verwunderung tat es mir dann sogar sehr gut, das Bild anzuschauen. Als ich dann einen Titel suchte, fiel mir nur aus der Alchemie der „Bleizustand der Schwärze“ ein, der aber eigentlich nicht zu meiner Freude am Schwarz passte und Jonas im Bauch des Fisches. Beide haben allerdings die Tendenz zu einer Erlösung oder Befreiung: im Gold oder eben wieder aus dem Fisch befreit zu werden. Auch „Die dunkle Nacht der Sinne“ des Johannes vom Kreuz fiel mir noch ein. Das habe ich dann aber nicht noch auf den Rahmen geschrieben.
9. Februar 2002
In einem so genannten Satsang mit OM C. Parkin stellt ein Teilnehmer die folgende Frage: „Wie ist es, wenn ich das Gefühl habe, ich blicke zurück in das Bewusstsein, das ich wie eine Art ‘schwarzen Nachthimmel’ empfinde und auch als etwas, was nichts ist und zugleich etwas, worin ich mich sogar wohl fühle. Dennoch habe ich immer noch das Gefühl, getrennt zu sein. Ich bin derjenige der dieses dunkle schwarze Nichts betrachtet. Ich bin immer noch der Beobachter, und da ist das Beobachtete. Muss ich mich einfach umwenden, wen ja: Wie kann ich das tun?“
Parkin, OM C: Die Geburt des Löwen, Freiburg 1998, S. 231
20. November 2015
In einem Buch „Flasch, Kurt: Meister Eckhart“, München 2010 habe ich noch einen für diesen Zusammenhang interessanten Satz gefunden:
Das Selbst zeigt sich als Dunkelheit. Die Gottesgeburt setzt den Eintritt in diese Selbstdunkelheit voraus. Das heißt Schweigen.
Seite 92
15. Februar 2002
Bei Williges Jäger habe ich noch einen weiteren interessanten Hinweis zu meinem schwarzen Bild gefunden. Er zitiert dort den Verfasser der „Wolke des Nichtwissens“ aus einem weiteren Werk dieses Autors mit dem Titel: „Schauen ins nackte Sein“. Er spricht dort von dem Blick ins bildlose Dunkel des eigenen nackten Seins. Eine letzte Stufe vor der Vereinigung mit dem göttlichen Grund. Dieses eigene nackte Sein ist noch ein Objekt. Die Subjekt-Objekttrennung ist noch nicht aufgegeben. Diese Trennung kann nur durch die vollständige Aufgabe des Ichs erreicht werden. (s. Jäger, Williges: Suche nach der Wahrheit, Petersberg 1998, S. 212-215). Soweit der Text von 2002.
Heute habe ich noch ein interessantes Zitat bei Ken Wilber: „Wege zum Selbst“, S. 208, gelesen. Er zitiert aus dem Zenrin:
Im Abenddämmern kündigt der Hahn den Morgen an; Um Mitternacht die helle Sonne.
Nun habe ich schon einige Bilder mit schwarzem Rahmen und schwarzer Fläche hergestellt.
10. April 2014
Ich habe noch einen interessanten Text zum Erleben der schwarzen Farbe in einem Interview mit Papst Franziskus gefunden:
Er sagt mir: Als ihm das Risiko, gewählt zu werden, am Mittwoch, dem 13. März, beim Mittagessen bewusst geworden sei, habe er einen tiefen und unerklärlichen Frieden und einen inneren Trost gespürt – zugleich mit einer völligen Dunkelheit, einer tiefen Finsternis. Und diese Gefühle haben ihn bis zur Wahl begleitet.
Sapadoro, Antonio SJ: Das Interview mit Papst Franziskus, 25f.