Weiße Quadratbilder mit farbigen Quadraten bis 2005
eine Bilderauswahl
Ich musste meine Homepage überarbeiten, weil ich meine Galerie aufgegeben habe. Ich habe den ersten Teil daher umstrukturiert und überarbeitet. Im nächsten Teil werde ich weitgehend Form und Inhalte der alten übernehmen. Das hat den Vorteil, dass die lebendige Entwicklung sich besser abbilden kann.
„Verkündigung nach Fra Angelico“ (2002) – 59,5 x 59,5 cm
4. November 2002
Heute habe ich das neuste Bild abgeschlossen. Wir waren in Italien. In Cortona habe ich im Diezösanmuseum die Verkündigung von Fra Angelico gesehen. Ich bin extra für dieses Bild dort hingegangen und habe dann auch fast nur vor diesem Bild gestanden. Einfach großartig. Vor allem die Farben haben mich begeistert. Das Gold, das Blau und das Rot. Auch das rosa Gewand des Engels ist eindrucksvoll. Ich will jetzt aber nicht versuchen, das Bild zu erklären. Es hat mich aber angeregt, den Eindruck dieser Farben und die erhabene Frische dieses Bildes einzufangen. Es ist ein gewagter Versuch. Entscheidend für mich sind das Gold, das Rot und das Blau. Rosa scheint mir nicht so wesentlich dazuzugehören, obwohl es großartig ist.
Ich habe also eine Komposition mit Gold – echtem Blattgold, wie sich das gehört – Blau und Rot gemacht.
Wenn ein Bild gerade fertig geworden ist – es war wieder ein langer Ringkampf mit Positionen und Farben – bin ich noch nicht so sicher, ob es mir 100 % gelungen ist und ich hoffe auch, dass ich nicht noch einmal dran muss. Es scheint aber gut zu sein. Meine Erwartung war gewaltig.
12. November 2002
Es war doch noch nicht in Ordnung. Das Rot musste noch heller und freundlicher werden.
3. Dezember 2002
Schon vor meiner Einlieferung ins Krankenhaus hatte mich die Idee fasziniert, aus meinem „Verkündigungsbild“ ein Triptychon zu machen. Ich kann dann auch das Rosa des Engelgewandes, das mich so fasziniert hat, mit hineinbringen. Meine Intuition ist, auf die linke Seite ein weißes Bild mit nur einer großen rosa Fläche zu bringen und auf die rechte Seite ein gleiches Bild mit seegrüner Fläche. Beides Farben, die für mein Bild „Das ewig Weibliche zieht uns hinan“ beherrschend sind. Diese Farben gehören zum Blau des Weiblichen, das ja schon auf dem Mittelteil ist, dazu.
26. Dezember 2002
Mein Triptychon „Verkündigung“ musste ich doch noch weiter bearbeiten. Das Rosa habe ich noch mehr nach Rot hin eingefärbt und das Grün etwas zum Gelblichen. Dadurch wirken die beiden Bilder vitaler und mehr auf das Leben bezogen.
Auch wir können ja mitten im Leben auf eine solche Verkündigung harren.
17. November 2002
In der Pinakothek der Moderne hatte mich wieder ein Bild von Kirchner fasziniert. Es ist eine alte Faszination. Ganz dunkles Grün des Waldes und dazwischen rosa Flächen. Ich hatte Zweifel, ob ich diese Farbenfülle auf ein sparsames weiße Bild bringen könnte. Worum es mir aber geht, ist diese Gegensätzung von dunklem Grün und Rosa.
03. Dezember 2003
Bevor ich am 13. Nov. ins Krankenhaus gegangen bin, hatte ich das Bild „Kirchner“ fertig. Ich bin ganz zufrieden damit. Es fällt nur aus der bisherigen Reihe ganz heraus. Die grünen Quadrate wirken ziemlich bedrohlich. Aber trotzdem ist alles in seiner Ordnung. Ich habe gelesen, dass Kirchner in den Jahren, in denen er diese Naturbilder malte, Harmonie mit der Natur suchte. Die Natur ist aber nicht nur heil, sie ist auch verschlingend. Nur wenn man sie durchdringt auf eine Jenseitigkeit hin, kann sie bergend werden. Das Rosa ist meiner Meinung nach diese Durchdringung oder die Sehnsucht danach. Ich weiß nicht, ob Kirchner damals schon TBC hatte und in Davos war. In einer solchen Situation muss man die Natur ja als bedrohlich erleben.
05. Dezember 2002
Ich lese zur Zeit „Bilder des 20. Jahrhunderts“ von Werner Schmalenbach und habe zum Bild „Zwei Frauen auf der Straße“ E. L. Kirchner, 1914, gelesen. Im Bild findet sich „ein gegenständlich nicht ganz geklärte pyramidale Form“. In dieser Form finde ich mein Grün und meine Rosa wieder. Wie ein Abendleuchten umschließt ein rosa Schein diesen „Berggipfel“. Rosa taucht u. a. auch noch im Gesicht der einen Frau auf.
24. Januar 2003
Ich habe angefangen mein Bild nach Kirchner neu zu machen. Irgendwie stört mich dieses Bild noch. Die dunkelgrünen Quadrate bedrängen das rosa Quadrat zu sehr. Da steckt zwar ein richtiger Gedanke hinter, aber diese Bilder sind auf einer anderen Ebene zu verstehen. Die erste Version atmet nicht richtig, macht nicht frei. Es kommt auf die unterschiedlichen Farben an. Jede Farbe muss für sich stark genug sein.
26. Januar 2003
Ich habe gestern den ganzen Tag am Bild „Kirchner“ gebastelt. Im Laufe des Abends verschoben sich die dunkelgrünen Quadrate dann nach und nach und veränderten das Bild fast vollständig.
In der jetzigen Anordnung versperren die grünen Quadrate alle Lebensaussichten – nach rechts oben, wo Kinder die Sonne hin malen und auch nach links oben, den Bereich der Erlösung durch Meditation. Der Ausweg ist nur eine ersehnte Transzendenz.
Nun kann das Rosa sich richtig entfalten.
23. April 2003
Ich hatte eine ganze Zeit wieder nichts gemacht. Ein angefangenes Bild zum Thema, „Die Blätter fallen…..“ nach Rilkes beeindruckendem Gedicht hat mich blockiert. In meinem Bild mit schwarzen Quadraten zum Irakkrieg, auf dem die Quadrate herauf- oder heruntertaumeln – also nicht waagerecht liegen – hatte mich angeregt, die fallenden Blätter auch taumeln zu lassen. Aus irgendeinem Grund bin ich damit nicht zurande gekommen. Der Kampf gegen den Krieg hat mich sicher auch blockiert, zumindest zeitlich.
Dann habe ich mich vor Ostern doch noch aufgerafft, denn wenn ich eine Zeit lang nichts mache, werde ich unzufrieden. Das herrliche Wetter und der früh einsetzende Frühling mit seinen vereinzelt aufsprießenden strahlenden bunten Blumen haben mich angeregt.
Nun besteht der Frühling nicht nur aus bunten Blumen, er hat auch eine Dimension, die zum Selbstmord treibt. (Im Frühjahr machen die meistern Menschen Selbstmord) Er weckt Sehnsüchte, von denen der Mensch ahnt, dass sie nicht erfüllt werden können, wenigstens nicht auf unserer Ebene des Daseins. Ich habe am 15.4. ein kleines Gedicht dazu geschrieben:
Frühling – die tiefe Ahnung eines Versprechens, das nicht eingehalten werden kann.
Herbert Langenohl
Diese jenseitige Tiefe, die im Kontrast zur Fröhlichkeit des Frühlings steht, wollte ich mit ins Bild bringen: evtl. ein großes rot-violettes Quadrat in der Mitte des Bildes, etwas nach oben versetzt. Dieses Quadrat sollte dann von kleinen bunten umgeben sein. Aber ähnlich wie bei meinem Bild „Fröhliches Fest der Farben“, bei dem ein schwarzes Quadrat als Kontrast im Bilde sein sollte, aber nur störte, habe ich auch hier auf diese Dimension des Frühjahrs verzichtet. Im Grunde ist die Welt in Ordnung und Freude.
Das Bild war schon vor Ostern fertig und es gefällt mir sehr gut. Leider kommen diese meine Bilder bei den meisten, denen ich sie zeige, nicht besonders an. Das bedrückt mich schon etwas, aber es soll mich nicht davon abhalten, das zu machen, was ich für richtig halte. Mir zumindest machen die Bilder große Freude. Vielleicht kommt ja eine Generation, die besseren Zugang hat – falls die Bilder überhaupt überleben.
Mai 2018
Bei dem ursprünglichen Frühlingsbild stehen die kleine Quadrate am oben am linken Rand nicht an der richtigen Stelle. Ich habe das Bild daher nochmal gemacht.
Der Vorgang, für die Quadrate auf der Fläche die genau richtigen Stellen zu finden, kann sehr schwierig und langwierig sein. Wenn ein Quadrat nicht richtig steht, werden alle anderen davon beeinträchtigt. Manchmal bin ich der Versuchung erlegen, zu früh aufzuhören.
12. Dezember 2003
Den ganzen Sommer und Herbst habe ich kaum etwas mit Bildern gemacht. Für den Sommer ist das durchaus üblich bei mir. Vielleicht hat mich meine Pensionierung doch mehr in Anspruch genommen, als ich dachte. Dazu kam die Moskau- und St. Petersburg-Reise in den Herbstferien. Außerdem habe ich mich sehr stark mit Meditation beschäftigt. Aber was soll’s. Meistens hängt es auch damit zusammen, dass ich bei einem Projekt hänge bleibe. Das war zuerst das geplante Herbstbild, das ich aufgegeben habe. (Es hat dazu geführt, mich mehr mit Rilkes Dichtungen zu beschäftigen, mit dem Ergebnis, dass ich enttäuscht war. Offensichtlich sind nur seine Highlights bekannt.)
Heute nun bei einer etwas zerstreuten Phase – ich kann nicht am Boden sitzen, weil mein Knie operiert ist – kam mir ein Einfall zu einem Herbstbild, vielleicht, weil ich gestern mein Sommerbild im Flur über mein Frühlingsbild gehängt habe. Das von Rilke angeregt Bild ist vielleicht deshalb nicht möglich geworden, weil da die Zeit und die Bewegung eine große Rolle spielen und meine Bilder eher in der Augenblickserfahrung ruhen. . Auch Ideen zu einem Winterbild tauchten auf. Was Ideen angeht, bin ich immer skeptisch. Der Verstand darf ein Bild nicht bestimmen, auch wenn er durchaus eine Rolle spielen kann. Ein Bild ist die Angelegenheit des ganzen Menschen.
Meine Sommerbild war etwas stark von einer Idee ausgegangen. Das hat mich länger davon abgehalten, daran weiter zu arbeiten. Ich meine aber nun, dass es gut gelungen ist und das gibt mir Mut, vielleicht doch Herbst und Winter auch in Angriff zu nehmen.
Meine Sommerbild hat den Namen „Fröhliches Sommerfest“. Ich bin von der Regel abgewichen, die Quadrate nur horizontal auf einem Schenkel liegend anzuordnen, was die Einfachheit und Ruhe beeinträchtigt, andererseits aber auch starke Bewegung und Variatsionsbreite ermöglicht. Und es passt zum Sommer. Wenn ich mit dem Sommer fröhliches Leben und Feiern verbinde.
Das Bild stellt eigentlich gut dar, was ich empfinde, wenn bei unserem Dorffest am Abend die Stimmung so richtig wogt. Wenn ich mich umschaue und nur fröhliche Menschen sehe, die in kleinen Gruppen zusammenstehen oder sitzen oder auf der Tanzfläche wirbeln, macht mich das glücklich. Jeder ist ein Mittelpunkt, lässt aber auch seinen Nachbarn den gleichen Raum, sich zu entfalten. Das ist für mich Leben und eine Erfahrung, die ins Transzendente reicht und dort verankert ist. Das fröhliche Treiben der bunten Quadrate ist daher auch am violetten Quadrat in der linken oberen Ecke „aufgehängt“ und gibt dem Ganzen den Halt.
Krieg zerstört jede Ordnung. Die sonst zum Quadratrahmen parallel stehenden farbigen Quadrate meiner weißen Quadratbilder mit farbigen Quadraten purzeln in einem Bogen von oben nach unten und verschließen jeden Ausweg: den Weg in die Zukunft nach rechts oben und den Weg nach links oben, zur Ruhe im Jenseitigen. Wer muss nicht im Krieg den Glauben an das Gute verlieren?
30. Juni 2003
Nach länger Zeit habe ich in den letzten Tagen wieder ein Bild gemacht. Wo es her kam, war mir zunächst unbekannt. es war eine bestimmt Stimmung und ein bestimmtes Bedürfnis. Beides kann ich aber nicht mehr benennen. Neben einem anderen Titel, den ich vergessen habe, viel mir spontan „Himmlisches Jerusalem“ ein. Vor ein paar Tagen erinnerte ich dann plötzlich, dass ich Ähnliches schon mal gesehen habe. Wir waren im letzten Sommer bei Fassungslos in Marmeke eingeladen. Sie haben ein altes Bauernhaus renoviert. Auf der Diele hatten sie Fliesen, die mich sehr begeistert haben. Sie sahen wohl so ähnlich aus wie dieses Bild. Es kann sein, dass der Untergrund aber braun war. Entscheidend waren mir die weißten kleine Quadrate in quadratischer Anordnung. Diese Ordnung und diese Frische! Vielleicht hat das in meinem Unterbewusstsein weiter gewirkt und ist jetzt in dieser Form aufgestiegen.
Wenn man sich dieses Bild anschaut, beginnt die ruhige Ordnung allerdings lebendig zu werden. Die kleinen violetten Quadrate fangen an sich zu bewegen.
Gretel gefällt das Bild allerdings wieder überhaupt nicht. Sie bringt es mit Kreuzstichmustern auf Tischdecken zusammen. Na ja, was soll’s. Mir tut es sehr gut.
Ich war im ersten Augenblick selbst erstaunt, dass das das Paradies sein sollte: so nüchtern. Nur ein Quadrat aus lauter gleichen kleinen violetten Quadraten. Aber so entsprach es meiner Intuition.
Zur Interpretation könnte ich vielleicht sagen, dass hier eine große Ordnung dargestellt ist, die alles umschließt. Alle Quadrate sind gleichberechtigt. Im Violett der kleinen Quadrate sind Blau und Rot zu Ruhe gekommen und bilden eine Einheit. Violett ist daher auf meinen Weißen Quadratbildern mit farbigen Quadraten sehr häufig im oberen linken Quadraten angesiedelt, der auf das Zur-Ruhe-Kommen in der Meditation oder des Göttlichen bezogen ist. Meister Eckehart, der große mittelalterliche Theologe und Mystiker, sagt, dass wir alle die ewige Ruhe anstreben.
Ein wunderschöner Seidenläufer für einen Tisch – von Weltmeistern geknüpft – den wir mal in der Türkei teuer erworben haben, heißt auch „Das Paradies“ und weist zu meinem Erstaunen auch eine sehr geometrische Struktur auf und hat auch ganz kleine Quadrate als Umrandung. (Aber wo bleiben da die vielen Engel und die 17 Jungfrauen?)
Wir hatten einen ungewöhnlich lange Winter mit viel Schnee. Die ganze Landschaft ist schon lange weiß und manchmal grau. Das bewirkt, dass ich mich nach dem Frühling sehne und nach mehr Farbe. An unserer Hauswand habe ich gestern Schneeglöckchen kommen sehen. Das war der Ausgangspunkt des Bildes.
Das große grüne Quadrat beherrscht das Bild, wenn man das Weiß nicht mitrechnet. Es hat die Farbe des Grüns der Schneeglöckchen. Die Blauen Quadrate betonen das Gefühl der Kühle und auch der noch vorhandenen Leere. Das Blau hat gleichzeitig etwas von Jenseitig-Mütterlichem, aus dem etwas heraus entsteht. Das kleine blaue Quadrat neben dem großen Grünen vermittelt den Eindruck von Kleinheit und Ferne.
Ausgehend von diesem Bild kam mir ein Gedanke, wie ich erklären kann, wie man dieses oder auch andere Quadratbilder von mir anschauen sollte. Mir fiel dazu ein Haiku von Basho ein:
Wenn ich aufmerksam schaue, Seh’ ich die Nazuna An der Hecke blühn!
Basho
Daran macht Daisetz Teitaro Suzuki, ein Zen-Meister, der Zen im Westen verbreitet hat, den Unterschied zwischen japanischem (Zen) und Westlichem Denken klar:
„Wahrscheinlich ging Basho eine Landstraße entlang, als er etwas bemerkte, das unscheinbar an der Hecke stand. Er näherte sich, sah genau hin und fand, dass es nichts als eine wilde Pflanze war, die recht unbedeutend ist und für gewöhnlich von Vorübergehenden nicht beachtet wird. Es ist eine einfache Tatsache, die in dem Gedicht beschrieben wird, ohne dass dabei besondere poetische Gefühle zum Ausdruck kommen, außer vielleicht in den beiden letzten Silben, die auf japanisch ‚kana’ lauten. Dieser Partikel, der häufig an ein Hauptwort, ein Adjektiv oder ein Adverb angehängt wird, drückt ein gewisses Gefühl der Bewunderung, des Lobes, des Leidens oder der Freude aus und kann manchmal in der Übersetzug ziemlich treffend durch ein Ausrufungszeichen wieder gegeben werden. Im vorliegenden Haiku endet der ganze Vers mit einem solchen Ausrufungszeichen.
Es ist nicht leicht, dem, der mit der japanischen Sprache nicht vertraut ist, das Gefühl zu vermitteln, das die siebzehn oder vielleicht fünfzehn Silben mit einem Ausrufezeichen durchdringt. Ich will versuchen, so gut ich kann, es zu erklären. (…)
Zunächst war Basho, wie die meisten Dichter des Ostens, ein Naturdichter. Sie lieben die Natur so sehr, dass sie sich mit ihr eins fühlen, dass sie jeden Pulsschlag in den Adern der Natur spürten. Die meisten Menschen des Westens neigen dazu, sich der Natur zu entfremden. Sie glauben, der Mensch und die Natur hätten außer in einigen wünschenswerten Punkten nichts gemeinsam, und die Natur sei nur dazu da, um vom Menschen ausgenützt zu werden. Den Menschen des Ostens jedoch ist die Natur sehr nahe. Dieses Gefühl für die Natur wurde angesprochen, als Basho eine unauffällige und fast unbedeutende Pflanze entdeckte, die an der alten schäbigen Hecke entlang der abgelegenen Landstraße so unschuldig und anspruchslos blühte und keineswegs begehrte, von jemandem bemerkt zu werden.
Und doch, wenn man sie betrachtet, wie zart ist sie, wie voll göttlicher Pracht und Herrlichkeit, die die Salomos weit übertrifft! Ihre Demut, ihre schlichte Schönheit erwecken Bewunderung. Der Dichter kann aus jedem Blütenblatt das Geheimnis des Lebens oder Seins lesen. Vielleicht war sich Basho selbst dessen gar nicht bewusst, aber ich bin sicher, dass sich damals in seinem Herzen ein Gefühl regte, in etwa mit dem verwandt, das die Christen göttliche Liebe nennen und das bis in die Tiefen des kosmischen Lebens reicht.“
Sie sehen eine Anordnung von blauen Quadraten. Diese Quadrate stellen keine bekannt Ordnung dar, auch wenn alle Quadrate aufeinander bezogen sind. Weil wir aber immer nach Beziehungen und Ordnungen suchen – wir suchen vielleicht immer nach einem Sinn – gleiten unsere Augen von Quadrat zu Quadrat über das Bild, um Beziehungen und Ordnungen zu finden. Dabei können wir in einen gedankenfreien Zustand kommen. Wir sind dann einer Ordnung nahe, die hinter allen Ordnungen liegt. Diese Ordnung ist durch die weiße Fläche ausgedrückt.
7. November 2004
Vorgestern war ich auf einer Ausstellung im „Haus Isenburg“. Die Bilder des französischen Malers syrischer Herkunft, Ibrahim Jalal, haben mich sehr angesprochen. Er malt mit ganz intensiven Farben. Eine Farbe bildet dabei immer den Grundton. Nicht spektakulär, aber schön. Eben eine Augenweiden. Ich habe dann gestern Abend noch mit einem Bild angefangen, auf dem das Rot beherrschend sein sollte. Ich bin dann aber bei nur rot hängen geblieben und arbeite nun daran. Ich habe zuerst ein großes rotes Quadrat in die Mitte gesetzt und wollte es ursprünglich mit andersfarbigen kleinen umgeben. Wie gesagt, bin ich bei Rot geblieben und habe das mittlere große nur als Bezugspunkt genommen und entfernt.
19. November 2004
Das rote Bild „Komposition in Rot“ habe ich am 12.11. beendet. Es war mal wieder eine schwierige Geschichte. So viele Quadrate in eine harmonische und spannende Ordnung zu bringen, ist fast nicht möglich.
18. Oktober 2004
Das Bild “Disloziertes Schwarz“ von Camille Graeser, auf dem ganz kalkuliert vier gleichgroße Quadrate am oberen Rand einer gelben Grundfläche aufgereiht waren, das schwarze aus dieser Reihe aber in der Mitte des unteren Teils als Raute gesetzt war, hat mich vielleicht dazu angeregt, ein Bild zu machen, auf dem meine Quadrate auch aneinandergereiht sind. Mir schwebte ein Quadrat in der Mitte des Bildes vor mit allen Regenbogenfarben. Dazu habe ich erst 2er Quadrate genommen. Die schienen mir dann aber zu klein und ich habe 3er genommen. Dazu habe ich die mir am schönsten erscheinenden Farben ausgesucht. Es ist ein wunderbares Bild geworden. Ganz simpel und z. T. sehr kalkuliert. Ich habe es „Regenbogenfenster“ genannt. Die Augen wandern im Kreis um das Viereck herum. Entweder rechts oder links herum. Ein ständiger Wechsel von hellen und dunkeln und warmen und kalten Farben. Die Weiße Leere wird mit gesehen, wobei der Raum im Fenster weiter entfernt zu sein scheint. Es gibt eine Dreistufung des Weiß in die Tiefe: Der Rahmen, die weiße Bildfläche und die Fläche im „Regenbogenfenster“.
Mit diesen schönen bunten Quadraten möchte ich noch eine Komposition machen.
25. Oktober 2004
Das Bild – s. 20.10. – habe ich am 22. beendet. Ich habe es „ruhig und aufgeregt“ genannt. Da ich bei diesem Bild 3er Quadrate genommen habe, kam mir die Idee, größere Quadrate auch in ein Karree wie bei dem Bild „Regenbogenfenster“ zu bringen. Ein Karree mit so großen Quadraten wird eine ganz andere Wirkung haben. Ich bin etwas gespannt. Ich hatte erst die Befürchtung, dass es einfach zu schön oder einfach nur schön sein werde. Aber warum nicht. Kann etwas zu schön sein? Es kommt mir ja darauf an, von der Schönheit in die Kontemplation zu führen.
Die Wahrnehmung der Farben ist unmittelbar. Sie können entzücken, ohne über eine Sinndeutung durch den Verstand zu laufen. Sie führen unmittelbar in einen kontemplativen. Raum. Kontemplative Erfahrungen sind auch unmittelbar und können rational nicht gedeutet werden. Sie erzeugen nur eine Resonanz in der Geistseele.
Sie be-geistern.
Für die Betrachtung meiner Bilder ist mir ein sehr schönes deutsches Wort eingefallen: „Augenweide“. (Es ist sicher eben so schön wie das grade gekürte schönste deutsche Wort: Habseligkeiten.)
Ich kann mit meinen Augen über das Bild wandern und genießen wie eine Kuh auf der Weide umhergeht und das Gras genießt.
30. Oktober 2004
Im Hinduismus wird der gedankenfreie Zustand Samadhi (Sam = mit, adhi = der Herr: Einheit mit Gott) und im Zen-Buddhismus Zammai genannt. Katsuki Sekida, ein japanischer Zen-Lehrer, unterscheidet verschiedene Arten und Stufen des Samadhi. Diese Unterscheidungen scheinen mir für das Verständnis dieser Zustände, aber auch für die Praxis, sehr wichtig zu sein.
Wenn ich mich selbst vergesse und ganz in meiner Tätigkeit aufgehe, mag das eine mir angenehme Erfahrung sein, sie ist aber noch nicht das angestrebte Samadi. Es ist ein unbewusster Zustand: Ein spielendes Kind, das selbstvergessen spielt, der Zuschauer eines spannenden Filmes oder eines Fußballspiels, der Eifersüchtige, der Trauernde, alle können ganz in ihrer Situation aufgehen. Dieser Zustand entsteht meistens spontan.
Wenn dieser Zustand bewusst herbeigeführt wird und ich dabei das Bewusstsein von mir selbst nicht verliere, das heißt, dass ich die Verbindung zu meinem so genannten ”inneren Menschen” (s.unten) nicht verliere, dann wir das von Sekida positives Samadi genannt. Ich bin zwar weitgehend von den Vorgängen absorbiert, habe mich aber weiterhin unter Kontrolle und meine Verbindung zu meinem ”inneren Menschen”, meinem eigentlichen Selbst (s. I.9.) ist nicht ausgelöscht, sie ruht nur oder ist in den Hintergrund getreten. Ich kann jederzeit dorthin zurückkehren. Beispiele dafür können der operierende Chirurg oder der in seinem Spiel aufgehende gute Schauspieler sein.
Der spontane Zustand dagegen ist meistens regressiv, das heißt, ich falle in einen früheren Entwicklungszustand zurück. Das Selbstbewusstsein und damit auch die Selbstbeherrschung gehen verloren. Sekida vermutet, dass hier auch die Erfahrungen unter Drogeneinfluss anzusiedeln sind. Dieses Samadi hat nichts mit dem im Zen angestrebten zu tun. Es hat Ähnlichkeit mit dem Tiersamadhi. Tiere gehen immer ganz in ihrer Situation auf, weil sie kein Bewusstsein von sich selbst haben. So ist eine weidende Kuh ganz im Samadhi des Weidens.
Die zweite Stufe des Samadi (absolutes Samadi) besteht darin, meine ganze Aufmerksamkeit nach innen zu richten.
Dabei geht es aber nicht einfach um die Wahrnehmung dessen, was in mir vorgeht, um die Wahrnehmung dessen, was ich denke oder fühle. Wenn ich denke, dass die Sonne scheint und fast gleichzeitig wahrnehme, dass ich das denke, also reflektiere, dass ich diesen Gedanken habe, stellt sich Selbstbewusstsein ein. Dieser reflexive Vorgang unterscheidet sich nicht von der Reflexion, die ich in Bezug auf die Wahrnehmung der Außenwelt vornehmen kann: Ich sehe einen Baum und werde mir bewusst, dass ich ihn sehe. Also: Selbstreflexion darf nicht mit der nach innen gerichteten Aufmerksamkeit verwechselt werden. Sie ist noch ein Gedanke.
Bei der nach innen gerichteten Aufmerksamkeit, die hier angestrebt wird, ”konzentrieren wir uns in unserem Innern, und es entwickelt sich ein SAMADHI, bei dem eine Art selbstständige spirituelle Kraft den Geist beherrscht. Diese spirituelle Kraft ist das Letzte, an das wir im Innersten unseres Daseins rühren können. Wir blicken nicht in sie hinein, denn die Subjektivität reflektiert nicht auf sich selbst, genau wie das Auge sich nicht selbst sieht, sondern wir sind dieses Letzte selbst. Es enthält in sich den Ursprung aller Gefühle und Verstandeskräfte, und es ist eine Wirklichkeit, die wir direkt in uns selbst wahrnehmen. Rinzai Zenji, ein Zen-Meister, der die Rinzai-Sekte gegründet hat, nennt dieses Letzte den ‘Menschen’. Wenn dieser ‘Mensch’ in tiefem SAMADHI in uns selbst die Herrschaft übernimmt, sind alle äußeren Umstände vergessen.” (Sekida, Zen-Training, S.108).
Diesen Zustand nennt Sekida absolutes SAMADHI. Er ist die Vorraussetzung für das Erreichen der Erleuchtung (Satori). Dieser Zustand übersteigt das normale Bewusstsein.
Im Anfang dieses Zustandes können noch kurze Augenblicke der Reflexion dieses Zustandes auftreten. In den tieferen Phasen wird nichts mehr wahrgenommen. Es ist der Zustand des ”Nichts”.
”Aber das ist keine hohle Leere. Es ist eher der lauterste Zustand unseres Daseins. Man denkt nicht über ihn nach und direkt weiß man nichts von ihm.” (Sekida)
Diesen Zustand nennt der berühmte Zen-Meister Hakuin Zenji ”den großen Tod”.
”Die Erfahrung des großen Todes ist zweifellos beim gewöhnlichen ZAZEN-Schüler nichts Alltägliches. Dennoch muss man vollständig durch diesen Zustand hindurch, wenn man echte Erleuchtung und Verwirklichung erlangen will, denn zur echten Erleuchtung kann man nur kommen, wenn man seine alten, gewohnten Bewusstseinsweisen abgestreift hat.” (Sekida)
Dieser Zustand wird Kensho (Wesensschau) oder – in seiner tiefsten Form – Satori (Erwachen zum wahren Wesen und damit zum Wesen allen Daseins) genannt. Wer aus diesem Zustand sich wieder nach außen wendet, ist heiter und friedvoll geworden und für alle Erfahrungen äußerst sensibel.
”Daher kann es sein, dass Ihr Geist vom Klang eines Steines, der auf einen Bambuspfahl fällt oder vom Anblick einiger Blüten äußerst lebhaft getroffen wird, wie das in so vielen Beschreibungen des KENSHO berichtet wird. Dieser Eindruck ist derart überwältigend, dass ‘das ganze Universum zusammenbricht’.” (Sekida)
Der letzte Schritt ist dann die Rückkehr in den Alltag. In der großen Freiheit des Geistes kann der so Erleuchtete gleichzeitig in den alltäglichen Tätigkeiten aufgehen und vollständig mit seinem ”inneren Menschen” verbunden bleiben. Im positiven Samadi lebe ich noch im normalen Bewusstsein, halte aber eine Verbindung zum „inneren Menschen“ aufrecht, im absoluten Samadi ruht der Erleuchtete ganz in diesem Bewusstsein, er ist so zu sagen dieses Bewusstsein geworden.
Zum Erreichen des absoluten Samadhi hält Sekida das Üben mit geschlossenen Augen für geeigneter.
Vorgestern Abend war ich körperlich nicht in guter Form und eher missmutig. Ich hätte gern ein weiteres Bild angefangen, hatte aber den Eindruck, dass ich keine Energie und keine Inspiration hatte. Ich habe dann eher etwas lustlos ein relativ großes rotes Quadrat genommen und auf die weiße Fläche gelegt. Dann eine kleines dazu und sie angeordnet. Dann habe ich dazu noch zwei kleiner grüne angeordnet. Das gefiel mir ganz gut, aber irgendwie fehlte noch was. Ein kleines violettes half dann. Die rote Farbe habe ich noch verändert. Und sieh da: das Bild gefällt mir sehr gut. So einfach war das schon lange nicht. Komisch. Es strahlt Ruhe und Kraft aus.
Es war fast auf Anhieb richtig, sodass ich dem Braten fast noch nicht traue. Das große rote ist tragend. Auch Gretel gefällt es, weil es freundlich Farben habe.
11. Oktober 2004
Heute habe ich mein neues Bild beendet. Es ist eines meiner schnellsten. Ich bin mal wieder verwundert.
Heute Abend habe ich es mir lange angeschaut und überlegt, warum es schön ist und ich wollte einen Title finden. Gestern hatte ich einen. Der ist mir heute aber – trotz aller Bemühung – nicht wieder eingefallen. Grade habe ich eine Sendung am Radio über Schöpfung und Symmetrie gehört. Das ganze Weltall im Mikro- und Makrokosmos hat mit Symmetrien zu tun, auch die Naturgesetze, musikalische Gesetze usw. Unsere Welt könnte es aber nicht geben, wenn Symmetrien perfekt wären. Vielleicht ist das ein gute Titel für mein Bild: einerseits Symmetrie, aber nicht perfekt: „Symmetrie inperfekt“. Nur inperfekte Symmetrie kann was Neues fordern und weist über sich hinaus.
10. Januar 2004
Ich habe gestern angefangen, ein neues Bild in meiner Reihe mit nur einer Farbe zu machen. Wieder ganz reduziert: Ein größeres orange Quadrat und ein kleines violettes. Ich habe das Gefühl, dass das orange Quadrat nicht gut alleine stehen kann. Anders bei Rot und vielleicht auch bei Grün. Nur ein grünes Quadrat soll danach mein nächster Versuch sein.
9. Januar 2004
Am 5.1. wollte ich mein geplantes Herbstbild machen. Durch immer stärkere Reduktion blieb am Ende nur noch ein kleines rotes Quadrat übrig. Dieses Bild möchte ich aber nicht mehr Herbst nennen. Es ist, was es ist.
Es gefällt mir sehr gut. Gretel fand es wenigstens witzig. Anne Martin konnte – wie ich den Eindruck hatte – auch nicht viel damit anfangen. Sie meinte lediglich, der rote Punkt sei genau an der richtigen Stelle. Das ist ja auch schon was. Bei Leuten, die auf einer anderen Ebene sind, werde ich auch wohl kaum Verständnis finden, das gilt vor allem für Künstler, die auf das festgelegt sind, was sie selber machen.
Das neue Bild ist wieder ein „reines“ Bild, so wie ich es eigentlich anstrebe. Vielleicht ist es nicht gut, überhaupt von einem Thema auszugehen. Der Verstand kommt dann immer in den Vorgang zu sehr mit hinein. So meinte ich, beim Herbst müssten auch irgendwie Herbstfarben mit auftauchen. Vielleicht sollte ich mich auch in der Beziehung noch mehr befreien. Themen sind bei diesen weißen Bildern auf jeden Fall eine Gefahr, auch wenn ich mir noch nicht ganz klar bin, wie Thema und Intuition hier in Beziehung stehen können.
Ein kleines rotes Quadrat genügt. Es verbreitet auf der weißen Fläche eine unendliche Frische und Weite.
Wenn das kleine Quadrat größer geworden wäre, wäre es selbst zu dominant geworden.
Dieses Bild macht zunächst einen unscheinbaren Eindruck. Außer dem Gelb scheinen sich im ersten Augenblick oder auch bei schlechter Beleuchtung die übrigen Farben nicht voneinander zu unterscheiden. Sie unterscheiden sich aber sehr. Nur in ihrem Helligkeitsgrad sind sie sehr ähnlich. Das entspricht der Stimmung der Nacht. Das gelbe Quadrat beherrscht das Bild. Auch von seiner Lage her ist es den anderen nicht gut zuzuordnen, auch wenn es zunächst den Eindruck macht. Ein Bild, das auf mich sehr beruhigend wirkt.